Kapitel 115: Familienfest – Teil Zwei
-Flitterwochen-
Tagesberichte
Trotz allem hatten die beiden in dieser Nacht nicht sofort die Chance, es zu 'versuchen'. Lan WangJi musste zuerst zu Lan XiChen, der schon seit einiger Zeit in abgeschiedener Meditation lebte, gehen, um mit ihm zu sprechen.
In den vergangenen Tagen hatte sich Wei WuXian eine seltsame Gewohnheit angewöhnt. Er schlief gerne auf Lan WangJis Körper, egal ob er auf ihm lag oder sich an ihm festklammerte. Wie auch immer, ohne dieses menschliche Kissen konnte er nicht mehr einschlafen. Schamlos stellte er daher das Jingshi auf den Kopf und schaffte es tatsächlich, einige Dinge auszugraben.
Lan WangJi war bei allem, was er tat, immer anständig und ordentlich gewesen, schon seit er jung war. Seine Kalligraphie, seine Gemälde und Schriftstücke waren alle extrem organisiert und nach Jahrgängen sortiert. Wei WuXian begann mit den Handschriftübungen, die er als junger Mann praktiziert hatte, und lachte, als er genüsslich durch sie hindurch blätterte. Er spürte jedes Mal, wenn er Lan QiRens rot markierte Kommentare sah, wie seine Zähne schmerzten. Aber selbst nach Tausenden von Seiten fand er nur ein Blatt Papier mit einem Fehler darauf. Danach hatte Lan WangJi ein weiteres Blatt Papier genommen, um das falsch geschriebene Schriftzeichen hundertmal mit aller Ernsthaftigkeit zu kopieren. Wei WuXian schnalzte mit der Zunge, Armes Kind. Wahrscheinlich hat er das Schriftzeichen nach so viel Kopieren nicht einmal mehr erkannt.
Er wollte weiterhin durch diese alten, vergilbten Seiten blättern, als ein schwaches Licht inmitten der Dunkelheit außerhalb des Jingshi aufleuchtete.
Er hörte keine Schritte, aber Wei WuXian rollte geschickt auf Lan WangJis Bett und zog die Decke von seinen Füßen bis zu seinem Kopf hoch. Als Lan WangJi die Tür vorsichtig aufschob und eintrat, erhielt er den Eindruck, dass die Person im Raum fest schlief.
Lan WangJis Bewegungen waren von Anfang an absolut lautlos. Als er sah, dass er bereits 'schlief', hielt er seine Atmung zurück und schloss langsam die Tür des Jingshi. Nach einer Schweigeminute näherte er sich schließlich dem Bett.
Noch bevor er sich überhaupt ganz angenähert hatte, war sein ganzer Oberkörper von einer auf ihn fliegenden Decke eingehüllt worden.
Lan WangJi, „....“
Wei WuXian sprang vom Bett hinunter, umarmte Lan WangJi, dessen ganzer Kopf bedeckt war, und schob ihn auf das Bett, „Vergewaltigung!“
Lan WangJi, „....“
Wei WuXians Hände berührten und fummelten vulgär an seinem Körper, doch Lan WangJi lag immer noch so ruhig da als wäre er tot und ließ ihn tun, was er wollte. Wei WuXian verlor nur wenig später das Interesse: „HanGuang-Jun, warum widersetzt du dich nicht einmal ein wenig? Warum sollte es Spaß machen, dich zu 'vergewaltigen', wenn du nur da liegst und dich nicht einmal bewegst?“
Lan WangJis dumpfe Stimme kam durch die Decke: „Was soll ich tun?“
Wei WuXian riet ihm: „Wenn ich dich so festhalte, musst du mich wegschieben und mich nicht auf dich drauf setzen lassen, und du musst deine Beine zusammendrücken und so hart wie möglich kämpfen, während du gleichzeitig um Hilfe schreist....“
Lan WangJi, „Lärm machen ist in den Wolkenschluchten verboten.“
Wei WuXian, „Dann kannst du auch ganz leise um Hilfe rufen. Und außerdem, wenn ich deine Kleidung zerreiße, solltest du dein Bestes tun, um dich zu widersetzen und deine Brust schützen.“
Unter der Decke war es eine Weile still.
Einen Moment später antwortete Lan WangJi: „Das klingt ziemlich schwierig.“
Wei WuXian, „Wirklich?!“
Lan WangJi, „Mn.“
Wei WuXian, „Jetzt gehen mir die Ideen aus. Wie wäre es, wenn wir die Dinge ändern und du mich stattdessen vergewaltigst....“
Bevor er fertig war, drehte sich sein Blick und all die Decken flogen davon. Lan WangJi hatte ihn bereits mit dem Rücken auf das Bett gedrückt.
Weil er von Wei WuXian eine ganze Weile lang unter der Decke gehalten worden war, waren sogar seine sonst so ewig gepflegte Haarspange und sein Stirnband etwas schief. Sein Haar war zerzaust, ein paar Strähnen hingen nach unten, und seine ursprünglich jadeweißen Wangen schimmerten in einem zarten Rosa. Bei Kerzenlicht wirkte er wie eine schamhafte Schönheit. Leider war die Armstärke dieser Schönheit jedoch absurd groß, und diese Arme lagen nun um Wei WuXian fest wie Eisenklammern, während dieser bettelte: „HanGuang-Jun, HanGuang-Jun! Zu vergeben ist eine Tugend.“
Lan WangJis Blick in seinen Augen änderte sich nicht, während sich die beiden hellen Flammen der Kerze darin zitternd spiegelten. Sein gesamter Ausdruck war ruhig, „Ja.“
Wei WuXian, „Ja was? Handstand? Vergewaltigung? Hey! Meine Kleider.“
Lan WangJi, „Das hast du selbst gesagt.“
Während er sprach, legte er seinen Körper zwischen Wei WuXians Beine und verharrte so eine Weile. Wei WuXian wartete noch etwas, aber es kam nichts: „Was?!“
Lan WangJi richtete sich leicht auf: „Warum widersetzt du dich nicht?“
Wei WuXian drückte mit seinen Beine seine Taille nach oben, rieb sich langsam an ihm und weigerte sich, ihn gehen zu lassen. Er grinste: „Nun, was kann ich tun? Wenn du mich so runter drückst, öffnen sich meine Beine von ganz alleine. Ich kann sie überhaupt nicht schließen, also wie soll ich die Kraft aufbringen, mich zu wehren? Es ist schwer für dich, aber auch für mich... Stopp, stopp, komm her, lass mich dir zuerst etwas zeigen."
Er fischte ein Stück Papier aus seinen Revers, „Lan Zhan, lass mich dich fragen, wie du einen Fehler bei einem so einfachen Schriftzeichen machen konntest? Hast du es nicht richtig gelernt? Was ist dir da durch den Kopf gegangen?“
Lan WangJi blickte auf das Papier und sagte nichts, aber die Bedeutung seines Blicks war mehr als klar – wie schamlos, dass jemand wie Wei WuXian, der beim Kopieren von Schriften kreuz und quer schrieb und dabei so viele Fehler machte, ihn dafür beschimpfen konnte, einen Fehler bei einem Schriftzeichen gemacht zu haben.
Wei WuXian tat so, als würde er diesen Blick nicht verstehen, während er weitermachte: „Schau dir das Datum an, das du da unten geschrieben hast. Mal sehen.... Du warst damals schon fünfzehn oder sechzehn, nicht wahr? Um in einem solchen Alter einen solchen Fehler zu machen, muss man....“
Aber als er über das Datum am unteren Ende genauer nachdachte, stellte er fest, dass es zufällig mit den drei Monaten übereinstimmte, die er in den Wolkenschluchten studiert hatte.
Wei WuXian war sofort überglücklich und sprach absichtlich: „Könnte es sein, dass, als Lan Er-Goch jung war, er dem Lesen und Schreiben keine Aufmerksamkeit schenkte, weil ich das Einzige war, woran er denken konnte?“
Damals, als Wei WuXian im Bibliothekspavillon Hausarrest hatte, hatte er jeden Tag nur Unsinn angestellt und vor Lan WangJi herumgealbert und ihn auf hunderte Arten belästigt.
Er hatte Lan WangJis Ruhe so sehr gestört, dass es für Lan WangJi schwierig gewesen sein musste, nicht an ihn zu 'denken', aber es war sicherlich nicht diese Art von 'zu denken'. Unter diesen Umständen war es äußerst bewundernswert, dass es Lan WangJi gelungen war, Wei WuXians Kopieren zu überwachen, während er selbst seine eigenen Dinge zu erledigen hatte und dabei nur einen Fehler machte.
Wei WuXian, „Huh, warum ist es jetzt wieder meine Schuld? Du wirst es wieder auf mich schieben.“
„…“ Lan WangJis Stimme war leise, „Deine Schuld!“
Seine Atemzüge stolperten, während er versuchte, das Stück Papier zu ergreifen, das ein Fleck in seinem sonst so perfekten Leben war. Wei WuXian liebte es, wenn Lan WangJi so in eine Ecke gedrängt wurde. Er stopfte das Papier sofort in seine Kleidung zurück und versteckte es in der Nähe seines Brustkorbes: „Hol's dir doch, wenn du so gut bist.“
Lan WangJi zögerte überhaupt nicht, während er hineingriff. Und er nahm seine Hände nicht wieder heraus.
Wei WuXian, „Du bist wirklich unglaublich!“
Die beiden alberten schließlich die halbe Nacht lang so herum. Erst in der zweiten Hälfte konnten sie wieder ein ernsthaftes Gespräch führen.
Wei WuXian klammerte sich noch immer an Lan WangJis Brust, das Gesicht an seinem Hals vergraben, während er spürte, wie das Sandelholzaroma auf Lan WangJis Körper noch reichhaltiger wurde. Er fühlte sich träge an, und hielt die Augen geschlossen, „Geht es deinem Bruder gut?“
Lan WangJi umarmte seinen nackten Rücken und streichelte ihn immer wieder. Nach einer Weile der Stille antwortete er: „Nicht wirklich.“
Beide waren klebrig vom Schweiß. Wei WuXian spürte, wie ein Kribbeln von seiner Haut bis zum Grund seines Herzens gelang, während Lan WangJi ihn streichelte. Er drehte sich etwas unbequem herum und vergrub sich so noch tiefer in Lan WangJi Umarmung.
Lan WangJi senkte seine Stimme: „In den Jahren, in denen ich in abgeschiedener Meditation war, war mein Bruder immer derjenige gewesen, der mich getröstet hatte.“
Doch jetzt war die Situation genau das Gegenteil.
Wei WuXian brauchte nicht zu fragen, was Lan WangJi in den Jahren, in denen er in abgeschiedener Meditation war, getan hatte. Er küsste Lan WangJis schönes Ohrläppchen und zog die Decke an der Seite hoch und bedeckte sie beide darunter.
Am zweiten Morgen stand Lan WangJi wie gewohnt um fünf Uhr auf.
In den wenigen Monaten, in denen er und Wei WuXian nun schon zusammenlebten, hatte er versucht, die Schlafgewohnheiten von Wei WuXian in Ordnung zu bringen, aber es war vergeblich gewesen.
Nachdem ein Schüler warmes Badewasser gebracht hatte, schälte Lan WangJi, der sich längst selbst angezogen hatte, den nackten Wei WuXian aus den dünnen Decke heraus und trug ihn in die Holzwanne. Irgendwie konnte Wei WuXian selbst dann noch weiter schlafen, auch wenn er von Wasser umgeben war. Lan WangJi drückte ihn sanft ins Wasser, und er fing Lan WangJis Hand ein, küsste sie, sowohl auf der Handfläche als auch auf dem Handrücken, und rieb seine Wange daran, ehe er wieder in den Schlaf abdriftete. Als der Druck ihn wirklich zu nerven begann, jammerte er ein paar Mal und zog Lan WangJi zu sich nach unten, dabei die Augen noch geschlossen und Lan WangJis Gesicht mit seinen Handflächen umschlossen, während er ihn noch ein paar Mal küsste und leise murmelte: „Guter Junge, hör auf, mich zu ärgern. Bitte, bitte? Ich stehe gleich auf. Ja.“
Und mit einem Gähnen schlief er wieder ein und klammerte sich an den Rand der Wanne.
Obwohl er wusste, dass Wei WuXian, selbst wenn der Raum niederbrannte, wahrscheinlich einen anderen Ort finden und dann wieder schlafen würde, weckte Lan WangJi ihn immer noch ab fünf Uhr auf und ertrug dann Dutzende von Küsschen und Kommentare dieser Art mit steinerner Miene.
Er brachte das Frühstück zum Jingshi und stellte es auf dem Schreibtisch ab, auf dem sich in der Vergangenheit immer nur Tinte, Papier und Pinsel befunden hatten, dann fischte er den schlafenden Wei WuXian aus der Wanne, um ihn abzutrocknen, ihn anzuziehen und um seine Schärpen zu binden. Erst dann nahm Lan WangJi endlich ein Buch aus den Regalen und blätterte auf die Seite mit dem getrockneten Blumen-Lesezeichen, setzte sich an den Schreibtisch und begann langsam zu lesen.
Wie erwartet, krabbelte Wei WuXian um fast elf Uhr mit äußerster Pünktlichkeit aus dem Bett, was eher so wirkte, als würde er schlafwandeln. Er tastete zuerst nach Lan WangJi, zog ihn ein paar Mal in seine Arme, um sich an ihn zu schmiegen und drückte dann seinen Oberschenkel aus Gewohnheit. Nach einer blitzschnellen Gesichtswäsche und Zähneputzen war er endlich etwas wacher und schien auf den Schreibtisch zu zu schweben. Wei WuXian aß zuerst einen Apfel mit nur wenigen Bissen. Als er sah, wie viel Essen sich dort in einer Box stapelte, zuckten seine Mundwinkel: „Ist heute nicht das Bankett? Ist es dann in Ordnung, vorher so viel zu essen?“
Unbeirrt richtete sich Lan WangJi die Haarspange und das Stirnband, das Wei WuXian während des morgendlichen Schmusens durcheinander gebracht hatte: „Iss erst einmal etwas.“
Das Essen der Wolkenschluchten war etwas, dem Wei WuXian schon einmal begegnet war. Mit wässriger Brühe und Gemüse als Hauptgericht war es grün und nur grün auf dem Tisch, voll von Heilkräutern, die von der Wurzel bis zur Rinde reichten. Jedes einzelne Gericht strahlte eine scharfe Bitterkeit aus, und inmitten dieser Bitterkeit war ein seltsamer Hauch von Süße. Ohne dies wäre Wei WuXian damals auch nicht auf die Idee gekommen, die beiden Kaninchen zu grillen. Ein Bankett in dieser Sekte würde wahrscheinlich nicht viel dazu beitragen, seinen Hunger zu stillen.
Wei WuXian wusste, dass die GusuLan-Sekte diesen Aspekt der Dinge sehr schätzte. Ob sie ihn an diesem Bankett teilnehmen ließen oder nicht, war im Grunde genommen, ob sie ihn in seinem Status als Lan WangJis Kultivierungspartner anerkannten oder nicht. Lan WangJi hatte definitiv immer und immer wieder Druck auf Lan QiRen ausgeübt, um ihm ein solches Recht zu verschaffen. Er stieß einen Atemzug aus und grinste: „Keine Sorge. Ich werde heute definitiv mein Bestes geben und dich nicht blamieren.“
Es wurde als Sektenbankett bezeichnet, aber das Sektenbankett der Wolkenschluchten war völlig anders als das, was Wei WuXian von Sektenbanketten bisher wusste.
Die Sektenbankette der YunmengJiang-Sekte bestanden darin, ein Dutzend große, quadratische Tische auf dem Freilufttrainingsplatz des Lotus Pier aufzustellen. Jeder saß da, wo er wollte, und man redete untereinander, wie man wollte. Die Küche war ebenfalls immer mit nach draußen gebracht worden. Das Feuer brannte und der Geruch des Essens schoss hoch in die Luft aus einer ganzen Reihe von Töpfen und Öfen. Man musste hingehen und sich dann nehmen, was immer man essen wollte. Es würde mehr gekocht werden, wenn es nicht genug gäbe. Obwohl er noch nie zum Bankett der LanlingJin-Sekte gegangen war, so scheute deren Sekte nie die Verbreitung der extravaganten Details darüber, wie zum Beispiel die berühmten Schwerttanzauftritte als Unterhaltung der Teilnehmer, ausladende Dekorationen, riesige Weinfässer oder kilometerlange rote Brokat-Teppiche. Es war eine erstaunliche Szene.
Im Vergleich dazu war das Sektenbankett der Wolkenschluchten weder lebendig noch üppig.
Die Disziplin der GusuLan-Sekte war schon immer erschreckend streng und erlaubte kein Sprechen beim Essen oder Schlafen. Obwohl das Bankett noch nicht begonnen hatte, sagte niemand unter den Sitzenden etwas. Abgesehen von denjenigen, die gerade die Halle betreten hatten und die flüsterten, während sie ihre Senioren grüßten, sprach fast niemand, und es gab kein Lachen. Sie trugen die gleichen weißen Kleider, die gleichen weißen Stirnbänder, die mit Mustern aus fließenden Wolken verziert waren, die gleichen feierlichen, fast festgefrorenen Gesichtsausdrücke - fast so, als wären sie alle aus einer gleichen Vorlage geschnitzt worden.
Wei WuXian beobachtete den ganzen Saal voller 'Trauerkleidung' und tat so, als könnte er die Blicke der anderen nicht sehen, die überrascht oder gar feindselig waren, und kommentierte schweigend: Ist das ein Sektenbankett? Es ist noch schwermütiger als eine Beerdigung.
An dieser Stelle betraten Lan XiChen und Lan QiRen den Bankettsaal. Lan WangJi, der ruhig neben Wei WuXian gesessen hatte, bewegte sich schließlich etwas. Wahrscheinlich, weil Lan QiRen immer einen Herzinfarkt bekam, wann immer er Wei WuXian irgendwo sah, hatte dieser wohl beschlossen, ihn einfach nicht anzusehen und starrte direkt nach vorne. Lan XiChen wirkte wie immer und trug sogar den Hauch eines Lächelns auf seinen Lippen, das immer wie Frühlingswind wirkte. Doch vielleicht lag es an der abgeschiedenen Meditation, dass Wei WuXian das Gefühl hatte, dass ZeWu-Jun etwas gebrechlich aussah.
Nachdem sich der Sektenführer gesetzt hatte, begann Lan XiChen mit ein paar einfachen Worten der Höflichkeit, und das Bankett begann.
Der erste Gang war eine Suppe.
Das es Suppe vor dem Essen gab war eine Gewohnheit der GusuLan-Sekte. Das Gericht wurde in einer schlichten Schale aus schwarzem, glatten Porzellan gereicht, die klein genug war, um sie in der Handfläche zu halten. Unter dem zierlichen Deckel befand sich, wie erwartet, eine ganze Menge grüner und gelber Blätter, Wurzeln und Rinde.
Schon auf dem ersten Blick zuckten Wei WuXians Augenbrauen. Nachdem er einen Löffel in den Mund genommen hatte, und obwohl er sich darauf vorbereitet hatte, konnte er nicht anders, als die Augen zu schließen und seine Stirn auf seiner Handfläche abzustützen.
Erst eine ganze Weile später schaffte er es aus der Benommenheit zurückzukehren, in die ihn seine stark angegriffenen Geschmacksknospen geschickt hatten. Es gelang ihm, seinen Körper mit dem Ellbogen abzustützen, während er dachte: Wenn der Gründer der Lan Sekte ein Mönch war, dann war er definitiv ein Asket.
Wei WuXian konnte sich nicht daran hindern, sich an den großen Topf mit Lotuswurzeln und Schweinerippchen auf dem Übungsplatz zu erinnern, während der Lotus Pier sein Sektenbankett abgehalten hatte. Das Aroma war meilenweit zu riechen gewesen und hatte alle Kinder angelockt, die sich an den Außenmauern des Lotus Pier festgeklammert und nach innen geblickt hatten, wobei ihnen der Speichel aus dem Mund getropft war. Wenn sie dann nach Hause gegangen waren, hatten sie alle geschluchzt und darum gebeten, auch Schüler in der YunmengJiang-Sekte werden zu dürfen. Im Vergleich dazu wusste er nun nicht, ob er sich selbst bemitleiden sollte, da er nun so mit dem seltsamen, bittersüßen Geschmack konfrontiert war, oder Lan WangJi, der seit seiner Geburt damit aufgewachsen war.
Als er jedoch beobachtete, wie alle anderen Mitglieder der Lan Sekte diese medizinisch anmutende Suppe ohne die Miene zu verziehen auftranken und dabei ihre Bewegungen und Ausdrucksweisen eine Mischung aus Ruhe, Eleganz und Natürlichkeit waren, hatte Wei WuXian nicht den Mut, so viel Suppe in seiner Schüssel zurückgehen zu lassen. Zudem erinnerte er sich daran, dass es in den viertausend - nein, er wusste nicht einmal mehr, wie viele Tausende es jetzt gab - Regeln der Sekte, auch eine Vorschrift gab, die die Höflichkeit gewährleisten sollte, wie beispielsweise kein Mäkeln, kein Verschwenden von Essen und auch nicht mehr als drei Schüsseln. Obwohl er der Meinung war, dass diese Regeln absolut lächerlich waren, so wollte er nicht schon jetzt von Lan QiRen verabscheut werden.
Gerade, als er sich dazu durchgerungen hatte, die Schüssel mit der seltsamen medizinischen Suppe auf einem Zug zu leeren, bemerkte er plötzlich, dass die Schüssel vor ihm bereits leer war.
Wei WuXian, „???“
Er konnte nicht anders, als das feine Porzellan anzuheben und dabei zu denken, Ich habe doch nur einen winzigen Schluck getrunken, oder? Hat sie ein Loch und alles ist durchgesickert?
Aber der Tisch war makellos und ohne eine Spur von Suppe.
Wei WuXian sah zur Seite. Zur gleichen Zeit nahm Lan WangJi seinen letzten Schluck von der Suppe, als wäre nichts passiert. Nachdem er seine Schale mit dem Porzellandeckel geschlossen hatte, sah er nach unten und nahm sich ein schneeweißes Taschentuch, um sich den Mundwinkel abzutupfen.
Wei WuXian erinnerte sich jedoch deutlich daran, dass Lan WangJi seine Schüssel schon längst fertig getrunken hatte.
Er entdeckte auch, dass Lan WangJis Tisch seinem Tisch viel näher zu sein schien als vor Beginn des Banketts. Es war, als wäre er heimlich verschoben worden.
Wei WuXian, „…”
Er hob eine seiner Brauen an und wisperte in Lan WangJi Richtung: „HanGuang-Jun, du kannst dich wirklich schnell bewegen, oder?“
Lan WangJi legte das Taschentuch nieder. Er sah für einen Moment zu ihm, ehe er ruhig wieder seinen Blick abwandte.
Information
Am Ende dieses Kapitels hat die Autorin diese Tabelle angefügt:
Die Größen:
Nie MingJue 191 cm
Lan XiChen 188 cm
Lan WangJi 188 cm
Wei WuXian (YiLing Patriarch) 186 cm
Jin ZiXuan 185 cm
Xiao XingChen 185 cm
Wen QiongLin 183 cm
Mo XuanYu (später Wei WuXian) 180 cm
Nie HuaiSang 172 cm
Jin GuangYao 170 cm (ohne Mütze, aber es ist fraglich, ob in seinen Schuhen erhöhende Keile steckten oder nicht)
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