Freitag, 1. November 2019

Kapitel 116


Kapitel 116: Familienfest – Teil Drei
Das tägliche Leben des frischverliebten Ehemänner-Duos

Je ernster er war, desto mehr konnte Wei WuXian den inneren Drang nicht unterdrücken, ihm einen Streich zu spielen.

Er klopfte leicht mit dem Finger an die schwarze Porzellanschüssel und ließ dadurch ein klirrendes Geräusch entstehen, das nur sie beide hören konnten. Lan WangJis Blick richtete sich aufgrund des Lärms etwas in seine Richtung.

Wei WuXian wusste, dass Lan WangJis Blick sich eigentlich nicht zu bewegen brauchte, um auch nur eine einzige seiner Bewegungen zu verpassen. Also hob er seine Schüssel und gab vor, einen Schluck zu nehmen. Er drehte sie in seiner Hand und hielt dort inne, wo Lan WangJi daraus getrunken hatte, und bedeckte die Schüssel an dieser Stelle mit seinen Lippen.

Lan WangJis Hände hatten ursprünglich richtig auf seinen Schoß gelegen, doch wie er es erwartet hatte, so hatte sich ihre Position zwar noch nicht geändert, aber die unter den weißen Ärmeln versteckten Finger zogen sich leicht zusammen.

Als er das sah, spürte Wei WuXian, wie sein Herz Sprünge machte. Kurz entschlossen lehnte er sich etwas unkontrolliert an Lan WangJi, als plötzlich ein heftiges Husten von Lan QiRen kam. Wei WuXian richtete sofort seinen halb geneigten Körper auf und kehrte zu einer richtigen Sitzposition zurück.

Nur eine Weile später, nachdem die Suppe beendet worden war, wurde der Hauptgang endlich aufgetischt. Auf jedem Tisch befanden sich drei Schüsseln, die entweder etwas weißes oder etwas grünes beinhalteten. Sie unterschieden sich nicht vom Essen, als Wei WuXian hier noch studiert hatte. Nach all den Jahren gab es, abgesehen von der zunehmenden Bitterkeit, überhaupt keine Veränderung. Es lag teilweise an der Region, aus der er stammte und teilweise auch an seiner Persönlichkeit, dass Wei WuXian geschmackvolles Essen bevorzugte, vor allem Gewürze, und er sah Fleisch als eine Notwendigkeit an. Wenn er mit solch einfachen Gerichten konfrontiert wurde, dann hatte er keinen Appetit und aß sie einfach, ohne zu wissen, was er da überhaupt aß. Inzwischen sah Lan QiRens ab und zu herüber und funkelte ihn genauso an, wie damals, als er ihn noch unterrichtet hatte und jederzeit bereit, ihn anzugreifen und ihn auf Ewig verschwinden zu lassen. Es lag vermutlich nur daran, dass sich Wei WuXian ungewöhnlich gut benahm, dass er nichts tun konnte und daher aufgeben musste.

Nach der geschmacklosen Mahlzeit nahmen die Bediensteten die Teller und Schüsseln mit. Wie üblich begann Lan XiChen die jüngsten Pläne für die Sekte zusammenzufassen. Doch nach nur wenigen Sätzen bemerkte Wei WuXian, dass XiChen gedanklich ein bisschen abwesend war. Er benannte zwei Nachtjagdorte falsch, und bemerkte auch nicht, dass Lan QiRen ihm ein paar Seitenblicke zuwarf, während er sprach, was dessen Ziegenbart in der Luft vibrieren ließ. Nach einer Weile konnte er schließlich nicht anders, als ihn zu unterbrechen. Glücklicherweise endete somit das Sektenbankett, wenn auch etwas überhastet.

Ein trostloser Anfang, ein trostloser Verlauf und ein trostloses Ende - Wei WuXian hatte mehr als zwei Stunden lang trostlos sein müssen. Es gab weder leckeres Essen noch gute Unterhaltung. Es war so erstickend gewesen, dass er das Gefühl hatte, ein halbes Jahr lang Flöhe an seinem Körper gehabt zu haben. Und selbst danach rief Lan QiRen Lan XiChen und Lan WangJi zu sich, wahrscheinlich um ihnen wieder einen Vortrag zu halten, und diesmal beiden gleichzeitig. Er hatte daher nun niemanden, mit dem er etwas unternehmen konnte. Nachdem er ein bisschen herumgegangen war, entdeckte er ein paar Junioren, die zusammen standen. Gerade als er sie begrüßen und sie ein bisschen scheuchen wollte, um etwas Spaß zu haben, änderte sich etwas an den Gesichtsausdrücken von Lan SiZhui, Lan JingYi und dem Rest der Junioren, sobald sie ihn sahen. Sie wirbelten herum und gingen weiter.

Wei WuXian verstand. Er wagte sich zu einem etwas abgelegeneren Waldstück. Er wartete eine Weile, und die Junioren von zuvor schlichen sich schließlich wieder zu ihm. Lan JingYi, „Senior Wei, wir haben dich nicht absichtlich ignoriert, aber der Lehrer sagte, das jeder, der mit dir spricht, die Regeln der Lan Sekte von oben nach unten kopieren muss ...“

'Lehrer' war der Ehrentitel, mit dem sich alle Jünger und Kultivierenden der GusuLan-Sekte auf Lan QiRen bezogen. Jede Erwähnung von einem 'Lehrer' bedeutete ihn und nur ihn. Wei WuXian freute sich: „Ist schon gut. Das weiß ich doch. Es ist nicht der erste Tag, an dem euer 'Lehrer' feuerfest, diebstahlsicher und Wei-Ying-geschützt handelt. Habt ihr seine Erfolgsquoten gesehen? Er hat wahrscheinlich das Gefühl, dass sein gut gepflegter Kohl von einem Schwein ausgegraben wurde. Es ist nur natürlich, dass er ein bisschen hitziger ist als sonst, hahahaha…“

Lan JingYi, „...“

Lan SiZhui, „... Hahaha.“

Wei WuXian beendete sein Lachen. „Richtig, ihr habt letztens gesagt, ihr wärt bestraft worden, weil ihr mit Wen Ning auf Nachtjagd gegangen seid.“

Er fragte Lan SiZhui: „Wie geht es ihm?“

Lan SiZhui: „Er versteckt sich wahrscheinlich irgendwo in einer Ecke unterhalb des Berges und wartet darauf, dass wir ihn das nächste Mal wieder suchen, wenn wir auf Nachtjagd gehen wollen.“

Nach einigem Nachdenken fuhr er mit besorgtem Ton fort: „Aber als wir uns trennten, schien Sektenführer Jiang immer noch ziemlich böse zu sein. Ich hoffe, wir haben ihm nicht noch mehr Probleme bereitet.“

Wei WuXian, „Huh? Jiang Cheng? Wie habt ihr ihn denn während eurer Nachtjagd getroffen?“

Lan SiZhui, „Wir hatten den jungen Meister Jin letztes Mal zu unserer Nachtjagd mit eingeladen, also ...“

Wei WuXian verstand sofort.

Man hätte sogar vermuten können, dass, wenn Lan SiZhui die Gruppe bei einer Nachtjagd anführte, Wen Ning natürlich auch nicht untätig bleiben würde. Er musste ihnen in der Dunkelheit gefolgt sein, um sie zu schützen, falls sie bei der Nachtjagd in Gefahr gerieten. Jiang Cheng musste Jin Ling auch hinterher geschlichen sein, aus Angst, dass ihm wieder etwas passieren würde. Und so waren die beiden unter gefährlichen Umständen aufeinandergetroffen. Er fragte nach, und es war genau so passiert, wie er sich das gedacht hatte. Wei WuXian wusste nicht, ob er lachen sollte oder nicht.

Nach einer Pause fragte er erneut: „Wie geht es Sektenführer Jiang und Jin Ling?“

Nach Jin GuangYaos Tod war Jin Ling der reinblütigste Erbe der LanlingJin-Sekte. Es gab jedoch immer noch viele Älteste in den Seitenzweigen der Sekte, die hungrig und gierig auf diese Position schauten. Die LanlingJin-Sekte wurde von außen von den anderen verachtet, und innen herrschte eine Mischung aus verschiedenen Eigeninteressen. Jin Ling war noch jung. Wie konnte er alles alleine bewältigen? Am Ende war Jiang Cheng doch noch mit Zidian in der Hand zum Karpfenturm hinaufgegangen, und war einmal Reihum gegangen, um endlich seine Position als Sektenführer vorübergehend sichern zu können. Was in den kommenden Tagen passieren würde, wusste niemand.

Lan JingYi schmollte: „Ihnen scheint es ganz gut zu gehen. Sektenführer Jiang ist derselbe wie zuvor und schlägt immer noch mit seiner Peitsche auf die Leute. Die Stimmung der jungen Herrin ist besser geworden. In der Vergangenheit schaffte er es nur dreimal seinem Onkel zu widersprechen, nachdem er von ihm geschimpft wurde. Jetzt schafft er schon zehnmal.“

Lan SiZhui warf ihm vor: „JingYi, wie kannst du ihn nur so hinter seinem Rücken nennen?“

Lan JingYi protestierte: „Ich nenne ihn auch so wenn er mir gegenüber steht.“

Als Lan JingYi das sagte, entspannte sich Wei WuXian etwas. In Wahrheit wusste er, dass dies nicht das war, was er wirklich fragen wollte. Aber da es so klang, als hätten sich Jiang Cheng und Jin Ling bislang recht gut geschlagen, gab es nichts mehr zu sagen. Er stand auf und wischte sich den unteren Saum seiner Kleider ab: „Also dann. Das klingt in der Tat ziemlich gut. Ihr könnt mit eurer Arbeit weitermachen. Ich muss mich noch um etwas kümmern.“

Lan JingYi schimpfte: „Du hängst doch schon die ganze Zeit nur in den Wolkenschluchten herum. Was hast du denn schon zu erledigen?“

Wei WuXian drehte sich nicht einmal um, „Ich muss an meinem Kohl knabbern!“

Es war selten, dass er so früh am Morgen aufgewacht war. Nachdem er zum Jingshi zurückgekehrt war, hatte er zunächst für eine längere Zeit geschlafen. Das Ergebnis eines solch ungewöhnlichen Schlafplans war, das er aufwachte, als es bereits dämmerte. Er hatte das Abendessen verpasst und es gab nichts anderes für ihn zu essen. Wei WuXian hatte aber auch keinen Hunger. Während des Wartens durchsuchte er weiterhin die alten Kalligraphie-Aufzeichnungen und Schriftstücke von Lan WangJi. Doch bis zum Einbruch der Nacht kam sein großer Kohl nicht zurück.

Schließlich fühlte Wei WuXian, wie leer sein Magen war. Aber die Zeit war schon zu weit fortgeschritten und es herrschte bereits Ausgangssperre in den Wolkenschluchten. Nach den Regeln der Sekte durften Unbefugte nicht draußen herumwandern, geschweige denn die Wand hochklettern und sich nach draußen schleichen - wenn er jetzt im 'Damals' gewesen wäre, dann wäre es ihm egal, was er 'nicht tun konnte', und egal, was 'verboten' gewesen wäre, denn Wei WuXian hätte sich nur für das Essen interessiert, wenn er hungrig war; geschlafen, wenn er müde war; geneckt, wenn er gelangweilt war, und gerannt, wenn er in Schwierigkeiten geraten war.

Aber jetzt war die Situation eine andere. Jetzt würden diese Fehler als die von Lan WangJi angesehen werden. Egal, wie hungrig und wie gelangweilt er war, er konnte nur einen langen Seufzer ausstoßen und es ertragen.

Zu diesem Zeitpunkt hörte er ein leises Geräusch von außerhalb des Jingshi. Die Tür wurde einen Spalt weit aufgeschoben.

Lan WangJi war zurückgekehrt.

Wei WuXian gab vor, tot zu sein.

Er hörte Lan WangJi leise auf den Schreibtisch zugehen und etwas darauf abstellen, ohne etwas zu sagen. Wei WuXian wollte weiter tot spielen, aber es schien, als ob Lan WangJi den Deckel von etwas geöffnet hatte, dessen würziger Geruch sogar den Duft des kalten Sandelholzes überwältigte, das ursprünglich im Jingshi dominierte.

Sofort stand Wei WuXian mit einer Rolle vom Boden auf: „Er-Gege! Ich werde alles, was du wünschst, für den Rest meines Lebens tun!“

Ausdruckslos nahm Lan WangJi das Geschirr aus der Kiste und legte es auf den Schreibtisch. Wei WuXian näherte sich ihm an. Der Anblick der roten Farbe auf einem halben Dutzend weißer Teller machte ihn so glücklich, dass seine Augen rot leuchteten: „Du bist zu freundlich, HanGuang-Jun. Es war so umsichtig von dir, dass du dich auf den Weg gemacht hast und mit Essen für mich zurückgekommen bist. Du kannst mir befehlen, was immer du willst.“

Schließlich holte Lan WangJi ein Paar elfenbeinweiße Essstäbchen heraus und legte sie horizontal über die Schüssel. Seine Stimme war kühl: „Beim Essen ist das Sprechen verboten.“

Wei WuXian: „Und du hast auch gesagt, dass während des Schlafens das Sprechen verboten ist. Warum dann hältst du mich nicht auf, wenn ich jede Nacht so viel rede und Lärm mache?“

Lan WangJi sah ihn an. Wei WuXian, „Gut, gut, gut, ich höre schon auf. Wir sind doch schon so, warum bist du dann immer noch so beschämt? Dir ist das immer so schnell peinlich, aber genau das gefällt mir so an dir. Hast du das aus der Hunan-Küche aus der Stadt Caiyi mitgebracht?“

Lan WangJi sagte nichts, also nahm Wei WuXian das als stille Bestätigung. Er setzte sich an den Tisch. „Ich frage mich, ob das Restaurant noch geöffnet hatte. In der Vergangenheit haben wir immer dort gegessen, denn wenn wir nur das Essen deiner Sekte gegessen hätten, dann hätte ich damals vermutlich nicht einmal diese paar Monate durchgehalten. Oh, schau dir das an. So sollte ein Sektenbankett wirklich sein.“

Lan WangJi: „Wir?“

Wei WuXian, „Jiang Cheng und ich. Manchmal auch Nie HuaiSang und ein paar andere.“

Wei WuXian Blick überflog Lan WangJi, während er grinste: „Warum schaust du mich so an? HanGuang-Jun, vergiss nicht. Damals habe ich dich eingeladen, zusammen mit mir zu essen. Wie leidenschaftlich habe ich es da versucht! Du warst derjenige, der sich geweigert hat, mitzugehen. Jedes Mal, wenn ich mit dir gesprochen habe, hast du mich nur angestarrt und alles, was du gesagt hast, fing mit einem 'Nein' an. Ich bin bei dir wirklich auf viele Hindernissen gestoßen. Ich habe noch nicht einmal die Dinge mit dir erledigt, die ich dir damals versprochen hatte und jetzt bist du hier der Unglückliche. Apropos…“

Er schlüpfte auf Lan WangJis Seite. „Ich habe mich zwingen müssen, mich nicht raus zu schleichen, weil ich keine Sektenregeln verletzen wollte und habe stattdessen gehorsam auf dich gewartet. Aber wer hätte gedacht, dass du selbst gegen die Regeln verstoßen würdest und für mich nach Essen gesucht hast, HanGuang-Jun. Verstößt gegen diese Regel - wenn dein Onkel das wüsste, dann würde ihm wieder sein Herz weh tun.“

Lan WangJi senkte den Kopf und schlang die Arme um Wei WuXians Taille. Er sah ruhig und regungslos aus, doch Wei WuXian spürte, wie seine Finger seine Taille streichelten, ob beabsichtigt oder nicht. Die Finger waren so warm, dass die Hitze durch seine Kleidung sickerte und direkt an seine Haut gelangte. Das Gefühl war extrem deutlich. Wei WuXian umarmte ihn ebenfalls und flüsterte: „HanGuang-Jun… Ich habe die Suppe deiner Sekte getrunken und jetzt ist mein ganzer Mund bitter. Ich kann nichts essen. Was mache ich denn jetzt?“

Lan WangJi, „Hattest einen Schluck.“

Wei WuXian, „Ja. Ich habe nur einen Schluck getrunken, aber eure Suppe hat eine wirklich langanhaltende, starke Wirkung. Diese Bitterkeit glitt den ganzen Weg von meiner Zungenspitze in meinen Hals hinunter. Sag mir was ich tun soll?“

Nach einem Moment der Stille antwortete Lan WangJi: „Ausgleichen.“

Wei WuXian fragte demütig: „Wie soll ich es denn ausgleichen?“

Lan WangJi hob seinen Kopf an.

Ein mildes, medizinisches Aroma wurde zwischen ihrer beider Lippen ausgetauscht. Die leichte Bitterkeit machte den Kuss besonders langsam.

Als es ihnen schließlich gelang, sich zu trennen, atmete Wei WuXian tief ein: „HanGuang-Jun, ich erinnere mich gerade. Du hast doch zwei Schüsseln dieser Suppe getrunken. Du bist noch bitterer als ich.“

Lan WangJi, „Mn.“

Wei WuXian: „Du schmeckst trotzdem recht süß. Das ist seltsam.“

„...“ Lan WangJi, „Iss zuerst.“

Nach einer Pause fügte er hinzu: „Wir können es tun, wenn du fertig bist.“

Wei WuXian: „Ich werde zuerst den Kohl essen.“

Lan WangJi runzelte leicht die Stirn, als sei er verwirrt darüber, warum er den Kohl so plötzlich erwähnt hatte. Wei WuXian lachte, während er seine Arme um seinen Hals legte.

Diese sogenannten besten Bankette fanden am besten hinter verschlossenen Türen statt.













Information
Er hat wahrscheinlich das Gefühl, dass sein gut gepflegter Kohl von einem Schwein ausgegraben wurde.: Dies ist ein allgemeines Sprichwort in China, mit dem beschrieben wird, was Eltern fühlen, wenn sich ihre geliebte Tochter verliebt.

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