Kapitel
12: Raffinesse - Teil Zwei
Den
Tod einladen indem man in sein Bett krabbelt
Diese
Brandnarbe zog Wei WuXians gesamte Aufmerksamkeit auf sich und ließ
ihn zweifeln, ob ihn seine Augen täuschten.
Er
konnte nicht einmal auf das Gesicht dieser Person achten, und seine
Atemzüge stotterten auch für einige Augenblicke. Plötzlich
erschien vor seinen Augen ein weißer Blitz, als ob vor ihm Schnee
gefallen wäre. Kurz darauf drang der blaue Schein eines Schwertes
durch den Schnee und schlug in seine Richtung mit der Kraft eines
arktischen Windstoßes.
Wer
wüsste da nicht, dass es sich um HanGuang-Juns berühmtes Schwert -
'Bichen' – handelte? Mist, es war Lan WangJi!
Wei
WuXian war sehr geschickt darin, wegzulaufen und Schwertern
auszuweichen. Mit einer Flugrolle auf den Boden wich er dem Schwert
knapp aus. Er hatte dabei sogar noch die Zeit, sich ein Blatt aus den
Haaren zu ziehen, dass sich darin verfangen hatte, als er aus der
kalten Quelle geeilt war. Er rannte wie eine kopflose Fliege, direkt
in eine Gruppe Leute, die gerade auf ihrer Nachtwache vorbeikamen.
Sie packten ihn und schimpften: „Was rennt Ihr hier herum? Das
Rennen ist in den Wolken-Schluchten verboten!"
Wei
WuXian, der erkannte, dass es sich um Lan JingYi und die anderen
handelte, war ekstatisch und dachte, dass man ihn nun endlich den
Berg hinunter jagen würde. Er präsentierte sich sofort: „Ich habe
nichts gesehen! Ich habe überhaupt gar nichts gesehen! Ich war
definitiv nicht hier, um HanGuang-Jun beim Baden zuzuschauen!"
Die
Junioren waren in ihrem Schock sprachlos von seiner Unverschämtheit.
Egal, wo er war, HanGuang-Jun war wie ein hoher, heiliger Berg, den
man in Ehrfurcht erblicken sollte, und der bei den Junior-Jüngern in
der Sekte besonders geschätzt wurde.
Er
war in der Nähe der kalten Quelle, um HanGuang-Jun beim Baden
zuzusehen! Nur an so etwas zu denken, wäre das größte Verbrechen,
das man ihm nie vergeben würde. Lan SiZhui war so erschrocken, dass
sich seine Stimme sogar änderte: „Was? HanGuang-Jun? HanGuang-Jun
ist da drin?!"
Lan
JingYi packte ihn wütend, „Du verdammter Schnittärmel! Ist...
ist... ist er wirklich jemand, den du dabei beobachten solltest?!"
Wei
WuXian schmiedete das Eisen, solange es noch heiß war, und
bestätigte mit Überzeugung: „Ich habe nicht das klitzekleinste
bisschen von dem gesehen, wie HanGuang-Jun ohne seine Kleidung
aussieht!"
Lan
JingYi kochte: „Du sagst das so, als wären
hier nicht dreihundert Tael begraben!
Nun, wenn du nichts gesehen hast, warum schleichst du dich dann hier
herum? Schau dich an - du kannst nicht mal jemanden ins Gesicht
sehen!"
Wei
WuXian bedeckte sein Gesicht mit den Händen: „Schrei doch nicht
so.... Lärm ist in den Wolken-Schluchten verboten."
Inmitten
des Aufruhrs kam Lan WangJi hinter den dichten Schichten der Gräser
hervor mit seinem Haar offen tragend nach unten, und in einem weißen
Gewand. Das Gespräch war noch nicht einmal beendet, und er war
bereits ordentlich gekleidet, Bichen steckte jedoch nicht in der
Scheide. Die Junioren beeilten sich, ihn zu begrüßen.
Lan
JingYi sprach eilig: „HanGuang-Jun, Mo XuanYu ist wirklich
schrecklich. Ihr habt ihn nur hierher gebracht, weil er uns im Mo
Dorf geholfen hat, aber er... er..."
Wei
WuXian dachte, dass es diesmal sicherlich über seine Belastbarkeit
hinausgehen würde und man ihn aus der Sekte treten würde.
Jedoch
sah Lan WangJi ihn nur kurz an. Nach einem Moment des Schweigens
steckte er Bichen mit einem Klicken in seiner Hülle und sprach: „Ihr
dürft gehen."
Es
waren nur drei klanglose Worte, aber sie waren mächtig genug, um
keine Widerworte zu erlauben. Die Menge zerstreute sich sofort,
während Lan WangJi Wei WuXian ruhig an der Rückseite seines Kragens
festhielt und ihn mit zum Jingshi zog. In seinem früheren Leben
waren sie beide von ähnlichem Körperbau gewesen, beide schlank und
hochgewachsen. Wei WuXian war nur minimal kleiner gewesen als Lan
WangJi.
Wenn sie zusammengestanden waren, so war die Differenz weniger als
einen Cun
zwischen ihnen gewesen und somit fast unmerklich. Nachdem er jedoch
in einem anderen Körper aufgewacht war, war er nun mehr als zwei Cun
kleiner als Lan WangJi. Während er so mit der Hand festgehalten
wurde, konnte er nicht einmal eine Sekunde lang gegen ihn kämpfen.
Wei WuXian taumelte, wollte schreien, aber Lan WangJi erwiderte kalt:
„Diejenigen, die Lärm machen, werden zum Schweigen gebracht."
Er
würde liebend gerne vom Berg geworfen werden, aber zum Schweigen
gebracht werden wollte er nicht. Wei WuXian konnte es überhaupt
nicht fassen - seit wann tolerierte die Lan-Sekte etwas so
Schamloses, wie das Beobachten eines der angesehensten Kultivierenden
des Lan-Clans beim Baden?!
Lan
WangJi trug ihn zum Jingshi, ging direkt in die inneren
Räumlichkeiten und warf ihn schwungvoll auf das Bett. Wei WuXian
schrie auf vor Schmerz. Er konnte in diesem Moment nicht aufstehen,
und schaffte es erst nach einer Weile, sich aufzurichten.
Ursprünglich wollte er ein paar Mal auf diese kokette Art und Weise
wimmern, damit er ihn verabscheuen würde. Als er jedoch den Kopf
hob, sah er, dass Lan WangJi Bichen in seiner Hand hielt und ihn
gebieterisch ansah.
Er
war es gewohnt, Lan WangJi mit seinem Stirnband zu sehen, das lange
Haar ordentlich und peinlich genau bis in jedes Detail gemacht, aber
er hatte ihn noch nie so gesehen, mit etwas lockeren Haaren und
dünner Kleidung. Wei WuXian konnte nicht anders, als noch ein paar
Mal genauer hinzuschauen. Nach der Anstrengung des Tragens und dem
Wurf auf das Bett, war Lan WangJis Kragen, der am Anfang geschlossen
war, leicht auseinandergegangen und zeigte seine ausgeprägten
Schlüsselbeine und das tiefe Rot der Narbe darunter.
Als
er die Brandnarbe sah, wurde Wei WuXians Aufmerksamkeit wieder darauf
gezogen. Als er noch nicht zum YiLing-Patriarchen geworden war, hatte
er auch so eine Brandnarbe am Körper gehabt.
Und,
diese Brandnarbe auf Lan WangJis Körper war genau dieselbe wie er
sie auf seinem Körper in seinem vergangenen Leben gehabt hatte, an
gleicher Position und gleicher Form, so war es für ihn nur
natürlich, dass er ihr Beachtung schenkte und überrascht war.
Und
wo er gerade darüber nachdachte, abgesehen von dieser Brandnarbe,
waren auch die etwa dreißig oder mehr Narben der Disziplinpeitsche
auf dem Rücken überraschend.
Lan
WangJi war schon in jungen Jahren berühmt gewesen. Mit seiner hohen
Wertschätzung war er einer der anerkanntesten Kultivierenden in der
Kultivierungswelt und auch ein Teil der beiden Jade, auf die die
GusuLan-Sekte so stolz war. Jedes Wort und jede Handlung von ihm
wurde als exemplarisches Vorbild genommen von den Ältesten einer
jeden Sekte für ihre Jünger. Welchen unverzeihlichen Fehler hatte
er begangen, der dafür gesorgt hatte, dass er so hart bestraft
wurde?
Wenn
man von den etwa dreißig oder mehr Narben der Disziplinpeitsche
ausgeht, hätte der Vollstrecker ihn genauso gut töten können.
Sobald die Disziplinpeitsche gezogen worden war, würden die Spuren
für den Rest des Lebens des Trägers nicht mehr verschwinden, damit
dieser sich für immer daran erinnern und nie wieder denselben Fehler
machen würde.
Seinem
Blick folgend, senkte Lan WangJi seine Augen. Er zog seinen Kragen
so, dass er seine Schlüsselbeine und die Brandnarbe bedeckte und
wurde somit wieder zum gleichgültigen HanGuang-Jun. In diesem Moment
schallte der tiefe Klang der Glocke von weit her zu ihnen herüber.
Die
Lan-Sekte hatte strenge Sektenregeln, einschließlich eines genauen
Zeitplans für das Zubettgehen um neun Uhr abends und das Aufstehen
um fünf Uhr morgens. Die Glocke war eine Erinnerung daran. Lan
WangJi lauschte aufmerksam den Klängen und sprach dann zu Wei
WuXian: „Du wirst hier schlafen."
Ohne
Wei WuXian die Möglichkeit zu geben, zu antworten, wandte er sich ab
und ging in einen anderen Teil des Jingshi, ließ Wei WuXian allein,
der sich auf dem Bett ausbreitete und sich verwirrt fühlte.
Er
zweifelte, ob Lan WangJi erraten haben könnte, wer er wirklich war.
Der Zweifel war jedoch ohne Sinn und Verstand. Da die Opferung eines
Körpers eine verbotene Praxis war, gab es wahrscheinlich nicht viele
Leute, die davon wussten. Die Schriftrollen, die über die
Generationen weitergereicht worden waren, waren höchstwahrscheinlich
nur Teilstücke eines gesamten Werkes, und daher nicht in der Lage,
ihren vollen Nutzen zu zeigen. Da diese Dinge immer so weitergingen,
gab es immer weniger Menschen, die daran glaubten. Mo XuanYu hatte
Wei WuXian nur beschwören können, indem er sich eine geheime
Schriftrolle angesehen hatte, wo auch immer er sie überhaupt erst
gefunden hatte. Wie auch immer, Lan WangJi hätte ihn nicht anhand
der schreckliche Flötenmelodien, die er gespielt hatte, erkennen
können.
Er
fragte sich, ob er in seinem vergangenen Leben eine herzliche
Beziehung zu Lan WangJi gehabt hatte oder nicht.
Obwohl
sie miteinander studiert, zusammen Abenteuer erlebt und gemeinsam
gekämpft hatten, waren doch alle dieser Erfahrungen wie fallende
Blütenblätter und fließendes Wasser, das kommt und geht. Lan
WangJi war ein Schüler der GusuLan-Sekte, was bedeutete, dass er
'rechtschaffen' sein musste, was wiederum unvereinbar war mit der
Persönlichkeit von Wei WuXian.
Wei
WuXian dachte, dass ihre Beziehung zueinander nicht wirklich schlecht
war, aber sie war auch nicht so gut. Die Chancen standen gut, dass
Lan WangJis Meinung über ihn die gleiche war wie die aller anderen -
übertrieben schamlos und nicht tugendhaft genug, und dass es nur
eine Frage der Zeit gewesen wäre, bis er eine Katastrophe
verursachte.
Nachdem
Wie WuXian die YunmengJiang-Sekte verraten hatte und zum
YiLing-Patriarchen geworden war, hatte er ein paar erhebliche
Streitigkeiten mit der Lan Sekte, besonders in den wenigen Monaten
vor seinem Tod. Wenn Lan WangJi sich sicher war, dass er Wei WuXian
war, dann wären sie bereits in einem großen Kampf miteinander
verwickelt.
Doch
nun war er sich nicht so sicher, was er von der aktuellen Situation
halten sollte - in der Vergangenheit, egal was er getan hatte, hatte
Lan WangJi nichts toleriert, aber jetzt, obwohl er alle Methoden
anwandte, die er aus seinem Ärmel zaubern konnte, tolerierte ihn Lan
WangJi immer noch. Sollte man ihm wegen seiner Entwicklung
diesbezüglich gratulieren?!
Nach
einer Weile sinnlosen ‚In-die-Luft-Starrens‘, drehte sich Wei
WuXian um und erhob sich vom Bett. Er schlich langsam in die andere
Kammer.
Lan
WangJi lag seitlich auf seinem Bett und schien bereits zu schlafen.
Ohne einen Ton näherte sich Wei WuXian ihm.
Er
gab immer noch nicht auf und hoffte, den Jade-Stein für den Weg nach
draußen aus seiner Kleidung herausfischen zu können. Als er jedoch
gerade seine Hand ausstreckte, flatterten Lan WangJis lange Wimpern,
und er öffnete die Augen.
Wei
WuXian musste sich schnell entscheiden. Er warf sich auf das Bett.
Er
erinnerte sich daran, dass Lan WangJi den Körperkontakt mit anderen
Menschen hasste. In der Vergangenheit wäre nur eine leichte
Berührung nötig gewesen und der Täter wäre rausgeschmissen
worden. Wenn er das nun auch ertragen würde, dann wäre diese Person
definitiv nicht Lan WangJi. Er würde sogar nicht bezweifeln, dass
Lan WangJis Körper übernommen worden war!
Wei
WuXians ganzer Körper lag nun über Lan WangJis, mit gespreizten
Beinen, kniend mit einem Bein auf jeder Seite seiner Taille. Seine
Hände stützten sich auf dem Holzbett
ab und fingen Lan WangJi zwischen seinen Armen ein. Er senkte
allmählich seinen Kopf. Der Abstand zwischen ihren beiden Gesichtern
wurde immer weniger und weniger. Immer näher und näher. An dem
Punkt, an dem es für Wei WuXian schwierig wurde, überhaupt zu
Atmen, öffnete Lan WangJi schließlich seinen Mund.
Er
schwieg für einen Moment, „Geh runter."
Wei
WuXian verdickte
sein Gesicht,
„Nein."
Ein
Paar blass gefärbter Augen sahen Wei WuXian aus sehr kurzer
Entfernung an. Lan WangJi starrte starr zu ihm auf und wiederholte,
„...Runter."
Wei
WuXian sprach: „Nein. Da du mir erlaubt hast, hier zu schlafen,
hättest du wissen müssen, dass so etwas passieren könnte."
Lan
WangJi sagte: „Bist du dir sicher, dass es das ist, was du willst?"
„..."
Aus
irgendeinem Grund war Wei WuXian der Meinung, dass er sich seine
Antwort sorgfältig überlegen sollte.
Als
er gerade im Begriff war, seine Lippen zu einem Lächeln
hochzuziehen, spürte er eine plötzliche Taubheit in seiner Taille
und seine Beine gaben nach. Mit einem Plumps fiel er auf Lan WangJis
Körper.
Das
nun halbe Lächeln war auf seinen Lippen festgefroren. Sein Kopf lag
auf der rechten Seite von Lan WangJis Brust und er konnte sich
überhaupt nicht mehr bewegen. Lan WangJis Stimme kam von oben. Seine
Stimme war leise und tief. Seine Brust vibrierte leicht bei jedem
Wort, das er sprach.
„Dann
bleibst du die ganze Nacht so."
Wei
WuXian hätte niemals erwartet, dass es so enden würde. Er zappelte
herum und wollte aufstehen, aber seine Taille schmerzte dabei und
fühlte sich weiterhin schlaff an. Er konnte weiterhin nur mit einem
anderen Mann in einer so unangenehmen Situation verbunden liegen
bleiben, was ein wenig verwirrend war.
Was
um alles in der Welt war in den letzten Jahren mit Lan Zhan passiert,
was ihn in eine solche Person verwandelt hatte?
War
das überhaupt noch derselbe Lan Zhan wie früher?!
Hätte
er nicht die Person sein sollen, deren Körper beschlagnahmt
wurde?!??!
Plötzlich,
noch während seine Gedanken in ihm tobten wie ein Hurrikan, bewegte
sich Lan WangJi leicht. WuXians innerer Glaube erhob sich in der
Hoffnung, dass er es doch nicht mehr ertragen konnte. Wie auch
immer, Lan WangJi machte einfach nur einen Wink mit seiner Hand.
Die
Lichter gingen aus.
Informationen
[…]
wären
hier nicht dreihundert Tael begraben:
Das ist ein sehr bekanntes Sprichwort in China. Es stammt aus der
Geschichte eines Mannes, der sein Geld in der Erde vergraben hatte,
und dort ein Schild aufstellte, auf dem stand "Hier sind keine
dreihundert Tael begraben". Dies ist also ein Beispiel für
jemanden, der sehr auffallend versucht, seine Unschuld zu schützen
und dabei eine sehr schlechte Lüge erzählt.
Cun:
Dieses wird wie tswun anstelle von kuhn ausgesprochen. Es sind etwa
3,33 cm.
Holzbett:
In
der Vergangenheit (und in den traditionellen Haushalten in der
Gegenwart) sind die Betten hart und aus Holz gemacht.
[…]
verdickte sein Gesicht:
Gesichtsverlust kennt man auch unter „sein Gesicht zu verlieren“
und heißt, sich selbst zu blamieren. Das Gesicht zu verdicken
bedeutet daher das Gegenteil: nämlich, dass man keine Angst hat, das
Gesicht zu verlieren.
Das
„verdickte Gesicht“ könnte somit auch auf viele Schichten
hindeuten, die erst einmal verloren gehen müssten, ehe es jemanden
peinlich sein könnte und er sich blamiert.
Ich weiß nicht ob ich machen soll oder einfach nur vor mich her kichern!
AntwortenLöschenWie die bedien da im Bett liegen, ist es echt sweet und man bekommt genau das was man will xD
Danke danke danke noch einmal für das hochladen