Donnerstag, 27. Juni 2019

Kapitel 12

Kapitel 12




Kapitel 12: Raffinesse - Teil Zwei
Den Tod einladen indem man in sein Bett krabbelt

Diese Brandnarbe zog Wei WuXians gesamte Aufmerksamkeit auf sich und ließ ihn zweifeln, ob ihn seine Augen täuschten.

Er konnte nicht einmal auf das Gesicht dieser Person achten, und seine Atemzüge stotterten auch für einige Augenblicke. Plötzlich erschien vor seinen Augen ein weißer Blitz, als ob vor ihm Schnee gefallen wäre. Kurz darauf drang der blaue Schein eines Schwertes durch den Schnee und schlug in seine Richtung mit der Kraft eines arktischen Windstoßes.

Wer wüsste da nicht, dass es sich um HanGuang-Juns berühmtes Schwert - 'Bichen' – handelte? Mist, es war Lan WangJi!

Wei WuXian war sehr geschickt darin, wegzulaufen und Schwertern auszuweichen. Mit einer Flugrolle auf den Boden wich er dem Schwert knapp aus. Er hatte dabei sogar noch die Zeit, sich ein Blatt aus den Haaren zu ziehen, dass sich darin verfangen hatte, als er aus der kalten Quelle geeilt war. Er rannte wie eine kopflose Fliege, direkt in eine Gruppe Leute, die gerade auf ihrer Nachtwache vorbeikamen. Sie packten ihn und schimpften: „Was rennt Ihr hier herum? Das Rennen ist in den Wolken-Schluchten verboten!"

Wei WuXian, der erkannte, dass es sich um Lan JingYi und die anderen handelte, war ekstatisch und dachte, dass man ihn nun endlich den Berg hinunter jagen würde. Er präsentierte sich sofort: „Ich habe nichts gesehen! Ich habe überhaupt gar nichts gesehen! Ich war definitiv nicht hier, um HanGuang-Jun beim Baden zuzuschauen!"

Die Junioren waren in ihrem Schock sprachlos von seiner Unverschämtheit. Egal, wo er war, HanGuang-Jun war wie ein hoher, heiliger Berg, den man in Ehrfurcht erblicken sollte, und der bei den Junior-Jüngern in der Sekte besonders geschätzt wurde.

Er war in der Nähe der kalten Quelle, um HanGuang-Jun beim Baden zuzusehen! Nur an so etwas zu denken, wäre das größte Verbrechen, das man ihm nie vergeben würde. Lan SiZhui war so erschrocken, dass sich seine Stimme sogar änderte: „Was? HanGuang-Jun? HanGuang-Jun ist da drin?!"

Lan JingYi packte ihn wütend, „Du verdammter Schnittärmel! Ist... ist... ist er wirklich jemand, den du dabei beobachten solltest?!"

Wei WuXian schmiedete das Eisen, solange es noch heiß war, und bestätigte mit Überzeugung: „Ich habe nicht das klitzekleinste bisschen von dem gesehen, wie HanGuang-Jun ohne seine Kleidung aussieht!"

Lan JingYi kochte: „Du sagst das so, als wären hier nicht dreihundert Tael begraben! Nun, wenn du nichts gesehen hast, warum schleichst du dich dann hier herum? Schau dich an - du kannst nicht mal jemanden ins Gesicht sehen!"

Wei WuXian bedeckte sein Gesicht mit den Händen: „Schrei doch nicht so.... Lärm ist in den Wolken-Schluchten verboten."

Inmitten des Aufruhrs kam Lan WangJi hinter den dichten Schichten der Gräser hervor mit seinem Haar offen tragend nach unten, und in einem weißen Gewand. Das Gespräch war noch nicht einmal beendet, und er war bereits ordentlich gekleidet, Bichen steckte jedoch nicht in der Scheide. Die Junioren beeilten sich, ihn zu begrüßen.

Lan JingYi sprach eilig: „HanGuang-Jun, Mo XuanYu ist wirklich schrecklich. Ihr habt ihn nur hierher gebracht, weil er uns im Mo Dorf geholfen hat, aber er... er..."

Wei WuXian dachte, dass es diesmal sicherlich über seine Belastbarkeit hinausgehen würde und man ihn aus der Sekte treten würde.

Jedoch sah Lan WangJi ihn nur kurz an. Nach einem Moment des Schweigens steckte er Bichen mit einem Klicken in seiner Hülle und sprach: „Ihr dürft gehen."

Es waren nur drei klanglose Worte, aber sie waren mächtig genug, um keine Widerworte zu erlauben. Die Menge zerstreute sich sofort, während Lan WangJi Wei WuXian ruhig an der Rückseite seines Kragens festhielt und ihn mit zum Jingshi zog. In seinem früheren Leben waren sie beide von ähnlichem Körperbau gewesen, beide schlank und hochgewachsen. Wei WuXian war nur minimal kleiner gewesen als Lan WangJi. Wenn sie zusammengestanden waren, so war die Differenz weniger als einen Cun zwischen ihnen gewesen und somit fast unmerklich. Nachdem er jedoch in einem anderen Körper aufgewacht war, war er nun mehr als zwei Cun kleiner als Lan WangJi. Während er so mit der Hand festgehalten wurde, konnte er nicht einmal eine Sekunde lang gegen ihn kämpfen. Wei WuXian taumelte, wollte schreien, aber Lan WangJi erwiderte kalt: „Diejenigen, die Lärm machen, werden zum Schweigen gebracht."

Er würde liebend gerne vom Berg geworfen werden, aber zum Schweigen gebracht werden wollte er nicht. Wei WuXian konnte es überhaupt nicht fassen - seit wann tolerierte die Lan-Sekte etwas so Schamloses, wie das Beobachten eines der angesehensten Kultivierenden des Lan-Clans beim Baden?!

Lan WangJi trug ihn zum Jingshi, ging direkt in die inneren Räumlichkeiten und warf ihn schwungvoll auf das Bett. Wei WuXian schrie auf vor Schmerz. Er konnte in diesem Moment nicht aufstehen, und schaffte es erst nach einer Weile, sich aufzurichten. Ursprünglich wollte er ein paar Mal auf diese kokette Art und Weise wimmern, damit er ihn verabscheuen würde. Als er jedoch den Kopf hob, sah er, dass Lan WangJi Bichen in seiner Hand hielt und ihn gebieterisch ansah.

Er war es gewohnt, Lan WangJi mit seinem Stirnband zu sehen, das lange Haar ordentlich und peinlich genau bis in jedes Detail gemacht, aber er hatte ihn noch nie so gesehen, mit etwas lockeren Haaren und dünner Kleidung. Wei WuXian konnte nicht anders, als noch ein paar Mal genauer hinzuschauen. Nach der Anstrengung des Tragens und dem Wurf auf das Bett, war Lan WangJis Kragen, der am Anfang geschlossen war, leicht auseinandergegangen und zeigte seine ausgeprägten Schlüsselbeine und das tiefe Rot der Narbe darunter.

Als er die Brandnarbe sah, wurde Wei WuXians Aufmerksamkeit wieder darauf gezogen. Als er noch nicht zum YiLing-Patriarchen geworden war, hatte er auch so eine Brandnarbe am Körper gehabt.
Und, diese Brandnarbe auf Lan WangJis Körper war genau dieselbe wie er sie auf seinem Körper in seinem vergangenen Leben gehabt hatte, an gleicher Position und gleicher Form, so war es für ihn nur natürlich, dass er ihr Beachtung schenkte und überrascht war.

Und wo er gerade darüber nachdachte, abgesehen von dieser Brandnarbe, waren auch die etwa dreißig oder mehr Narben der Disziplinpeitsche auf dem Rücken überraschend.

Lan WangJi war schon in jungen Jahren berühmt gewesen. Mit seiner hohen Wertschätzung war er einer der anerkanntesten Kultivierenden in der Kultivierungswelt und auch ein Teil der beiden Jade, auf die die GusuLan-Sekte so stolz war. Jedes Wort und jede Handlung von ihm wurde als exemplarisches Vorbild genommen von den Ältesten einer jeden Sekte für ihre Jünger. Welchen unverzeihlichen Fehler hatte er begangen, der dafür gesorgt hatte, dass er so hart bestraft wurde?

Wenn man von den etwa dreißig oder mehr Narben der Disziplinpeitsche ausgeht, hätte der Vollstrecker ihn genauso gut töten können. Sobald die Disziplinpeitsche gezogen worden war, würden die Spuren für den Rest des Lebens des Trägers nicht mehr verschwinden, damit dieser sich für immer daran erinnern und nie wieder denselben Fehler machen würde.

Seinem Blick folgend, senkte Lan WangJi seine Augen. Er zog seinen Kragen so, dass er seine Schlüsselbeine und die Brandnarbe bedeckte und wurde somit wieder zum gleichgültigen HanGuang-Jun. In diesem Moment schallte der tiefe Klang der Glocke von weit her zu ihnen herüber.

Die Lan-Sekte hatte strenge Sektenregeln, einschließlich eines genauen Zeitplans für das Zubettgehen um neun Uhr abends und das Aufstehen um fünf Uhr morgens. Die Glocke war eine Erinnerung daran. Lan WangJi lauschte aufmerksam den Klängen und sprach dann zu Wei WuXian: „Du wirst hier schlafen."

Ohne Wei WuXian die Möglichkeit zu geben, zu antworten, wandte er sich ab und ging in einen anderen Teil des Jingshi, ließ Wei WuXian allein, der sich auf dem Bett ausbreitete und sich verwirrt fühlte.

Er zweifelte, ob Lan WangJi erraten haben könnte, wer er wirklich war. Der Zweifel war jedoch ohne Sinn und Verstand. Da die Opferung eines Körpers eine verbotene Praxis war, gab es wahrscheinlich nicht viele Leute, die davon wussten. Die Schriftrollen, die über die Generationen weitergereicht worden waren, waren höchstwahrscheinlich nur Teilstücke eines gesamten Werkes, und daher nicht in der Lage, ihren vollen Nutzen zu zeigen. Da diese Dinge immer so weitergingen, gab es immer weniger Menschen, die daran glaubten. Mo XuanYu hatte Wei WuXian nur beschwören können, indem er sich eine geheime Schriftrolle angesehen hatte, wo auch immer er sie überhaupt erst gefunden hatte. Wie auch immer, Lan WangJi hätte ihn nicht anhand der schreckliche Flötenmelodien, die er gespielt hatte, erkennen können.

Er fragte sich, ob er in seinem vergangenen Leben eine herzliche Beziehung zu Lan WangJi gehabt hatte oder nicht.

Obwohl sie miteinander studiert, zusammen Abenteuer erlebt und gemeinsam gekämpft hatten, waren doch alle dieser Erfahrungen wie fallende Blütenblätter und fließendes Wasser, das kommt und geht. Lan WangJi war ein Schüler der GusuLan-Sekte, was bedeutete, dass er 'rechtschaffen' sein musste, was wiederum unvereinbar war mit der Persönlichkeit von Wei WuXian.

Wei WuXian dachte, dass ihre Beziehung zueinander nicht wirklich schlecht war, aber sie war auch nicht so gut. Die Chancen standen gut, dass Lan WangJis Meinung über ihn die gleiche war wie die aller anderen - übertrieben schamlos und nicht tugendhaft genug, und dass es nur eine Frage der Zeit gewesen wäre, bis er eine Katastrophe verursachte.

Nachdem Wie WuXian die YunmengJiang-Sekte verraten hatte und zum YiLing-Patriarchen geworden war, hatte er ein paar erhebliche Streitigkeiten mit der Lan Sekte, besonders in den wenigen Monaten vor seinem Tod. Wenn Lan WangJi sich sicher war, dass er Wei WuXian war, dann wären sie bereits in einem großen Kampf miteinander verwickelt.

Doch nun war er sich nicht so sicher, was er von der aktuellen Situation halten sollte - in der Vergangenheit, egal was er getan hatte, hatte Lan WangJi nichts toleriert, aber jetzt, obwohl er alle Methoden anwandte, die er aus seinem Ärmel zaubern konnte, tolerierte ihn Lan WangJi immer noch. Sollte man ihm wegen seiner Entwicklung diesbezüglich gratulieren?!

Nach einer Weile sinnlosen ‚In-die-Luft-Starrens‘, drehte sich Wei WuXian um und erhob sich vom Bett. Er schlich langsam in die andere Kammer.

Lan WangJi lag seitlich auf seinem Bett und schien bereits zu schlafen. Ohne einen Ton näherte sich Wei WuXian ihm.

Er gab immer noch nicht auf und hoffte, den Jade-Stein für den Weg nach draußen aus seiner Kleidung herausfischen zu können. Als er jedoch gerade seine Hand ausstreckte, flatterten Lan WangJis lange Wimpern, und er öffnete die Augen.

Wei WuXian musste sich schnell entscheiden. Er warf sich auf das Bett.

Er erinnerte sich daran, dass Lan WangJi den Körperkontakt mit anderen Menschen hasste. In der Vergangenheit wäre nur eine leichte Berührung nötig gewesen und der Täter wäre rausgeschmissen worden. Wenn er das nun auch ertragen würde, dann wäre diese Person definitiv nicht Lan WangJi. Er würde sogar nicht bezweifeln, dass Lan WangJis Körper übernommen worden war!

Wei WuXians ganzer Körper lag nun über Lan WangJis, mit gespreizten Beinen, kniend mit einem Bein auf jeder Seite seiner Taille. Seine Hände stützten sich auf dem Holzbett ab und fingen Lan WangJi zwischen seinen Armen ein. Er senkte allmählich seinen Kopf. Der Abstand zwischen ihren beiden Gesichtern wurde immer weniger und weniger. Immer näher und näher. An dem Punkt, an dem es für Wei WuXian schwierig wurde, überhaupt zu Atmen, öffnete Lan WangJi schließlich seinen Mund.

Er schwieg für einen Moment, „Geh runter."

Wei WuXian verdickte sein Gesicht, „Nein."

Ein Paar blass gefärbter Augen sahen Wei WuXian aus sehr kurzer Entfernung an. Lan WangJi starrte starr zu ihm auf und wiederholte, „...Runter."

Wei WuXian sprach: „Nein. Da du mir erlaubt hast, hier zu schlafen, hättest du wissen müssen, dass so etwas passieren könnte."

Lan WangJi sagte: „Bist du dir sicher, dass es das ist, was du willst?"

..."

Aus irgendeinem Grund war Wei WuXian der Meinung, dass er sich seine Antwort sorgfältig überlegen sollte.

Als er gerade im Begriff war, seine Lippen zu einem Lächeln hochzuziehen, spürte er eine plötzliche Taubheit in seiner Taille und seine Beine gaben nach. Mit einem Plumps fiel er auf Lan WangJis Körper.

Das nun halbe Lächeln war auf seinen Lippen festgefroren. Sein Kopf lag auf der rechten Seite von Lan WangJis Brust und er konnte sich überhaupt nicht mehr bewegen. Lan WangJis Stimme kam von oben. Seine Stimme war leise und tief. Seine Brust vibrierte leicht bei jedem Wort, das er sprach.

Dann bleibst du die ganze Nacht so."

Wei WuXian hätte niemals erwartet, dass es so enden würde. Er zappelte herum und wollte aufstehen, aber seine Taille schmerzte dabei und fühlte sich weiterhin schlaff an. Er konnte weiterhin nur mit einem anderen Mann in einer so unangenehmen Situation verbunden liegen bleiben, was ein wenig verwirrend war.

Was um alles in der Welt war in den letzten Jahren mit Lan Zhan passiert, was ihn in eine solche Person verwandelt hatte?

War das überhaupt noch derselbe Lan Zhan wie früher?!

Hätte er nicht die Person sein sollen, deren Körper beschlagnahmt wurde?!??!

Plötzlich, noch während seine Gedanken in ihm tobten wie ein Hurrikan, bewegte sich Lan WangJi leicht. WuXians innerer Glaube erhob sich in der Hoffnung, dass er es doch nicht mehr ertragen konnte. Wie auch immer, Lan WangJi machte einfach nur einen Wink mit seiner Hand.

Die Lichter gingen aus.








Informationen
[…] wären hier nicht dreihundert Tael begraben: Das ist ein sehr bekanntes Sprichwort in China. Es stammt aus der Geschichte eines Mannes, der sein Geld in der Erde vergraben hatte, und dort ein Schild aufstellte, auf dem stand "Hier sind keine dreihundert Tael begraben". Dies ist also ein Beispiel für jemanden, der sehr auffallend versucht, seine Unschuld zu schützen und dabei eine sehr schlechte Lüge erzählt.
Cun: Dieses wird wie tswun anstelle von kuhn ausgesprochen. Es sind etwa 3,33 cm.
Holzbett: In der Vergangenheit (und in den traditionellen Haushalten in der Gegenwart) sind die Betten hart und aus Holz gemacht.
[…] verdickte sein Gesicht: Gesichtsverlust kennt man auch unter „sein Gesicht zu verlieren“ und heißt, sich selbst zu blamieren. Das Gesicht zu verdicken bedeutet daher das Gegenteil: nämlich, dass man keine Angst hat, das Gesicht zu verlieren.
Das „verdickte Gesicht“ könnte somit auch auf viele Schichten hindeuten, die erst einmal verloren gehen müssten, ehe es jemanden peinlich sein könnte und er sich blamiert.

1 Kommentar:

  1. Ich weiß nicht ob ich machen soll oder einfach nur vor mich her kichern!
    Wie die bedien da im Bett liegen, ist es echt sweet und man bekommt genau das was man will xD

    Danke danke danke noch einmal für das hochladen

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