Kapitel
52: Mut – Teil Zwei
Das
Biest am Ende der Höhle
Lan WangJi
starrte weiterhin nur nach vorne, „Nichts.“
Wei WuXian,
„Wir sind doch vertraut miteinander, nicht wahr? Wie kalt - du
gibst dir nicht einmal die Mühe, mich auch nur eines Blickes zu
würdigen. Geht es deinem Bein wirklich gut?“
Lan WangJi,
„Wir sind uns nicht vertraut.“
Wei WuXian
drehte sich um und ging rückwärts, entschlossen, Lan WangJi dazu zu
bringen, sein Gesicht anzusehen: „Zwing dich zu nichts, wenn es
nicht in Ordnung ist. Ist dein Bein verletzt oder gebrochen? Wann ist
das passiert?“
Gerade als
er sagen wollte, 'Willst du, dass ich dich trage', wehte ihm
plötzlich ein blumiger Duft um seine Nase. Wei WuXian drehte sich um
und sah zur Seite. Seine Augen erhellten sich sofort.
Als Lan
WangJi sah, dass er abrupt aufgehört hatte, zu reden, folgte er
seinem Blick. Er sah etwa ein halbes Dutzend Mädchen zusammen
laufen. Diejenige in der Mitte trug eine Schicht Chiffon über ihrem
Mantel aus hellem Scharlachrot. Als der Wind aufkam, schwankte das
Chiffon. Ihre Figur sah von hinten außergewöhnlich gut aus.
Diese Figur
war es, die Wei WuXian sich angesehen hatte.
Eines der
Mädchen lachte: „MianMian, dein Parfümbeutel ist wirklich
etwas Besonderes. Seitdem ich ihn bei mir trage, haben die Käfer
wirklich aufgehört, vorbeizukommen. Der Duft ist auch schön. Ich
scheine mich viel wacher zu fühlen, nachdem ich an ihm gerochen
habe.“
Die Stimme
des Mädchens namens MianMian war in der Tat sanft und süß: „Im
Inneren des Beutels befinden sich zerkleinerte Heilpflanzen. Es kann
in vielerlei Hinsicht nützlich sein. Ich habe noch ein paar hier.
Will einer von euch eins?“
Wei WuXian
fegte wie ein unheilvoller Windstoß hinüber: „MianMian, rette
auch mich.“
Das Mädchen
war überrascht. Sie hatte nicht erwartet, dass die Stimme eines
Fremden so plötzlich hereinplatzte. Als sie sich umdrehte, enthüllte
sie ein schönes Gesicht, mit einer Stirn, die sich leicht runzelte,
als sie fragte: „Wer bist du? Warum nennst du mich auch MianMian?“
Wei WuXian
grinste: „Ich habe gehört, dass dich alle MianMian nennen, also
dachte ich, dass es dein Name ist. Was, ist er das denn nicht?“
Lan WangJi
beobachtete sie kalt. Als Jiang Cheng sah, dass er schon wieder
mitten drin war, rollte er mit Nachdruck die Augen.
MianMians
Wangen erröteten sich: „So kannst du mich nicht nennen!“
Wei WuXian,
„Warum nicht? Wie wäre es damit: Wenn du mir deinen Namen sagst,
werde ich dich nicht mehr MianMian nennen. Was denkst du darüber?“
MianMian,
„Warum muss ich ihn dir sagen, nur weil du gefragt hast? Bevor du
nach dem Namen eines anderen fragst, solltest du demjenigen zuerst
deinen Namen sagen, nicht wahr?“
Wei WuXian,
„Sicher, wenn du nur meinen Namen willst. Merk ihn dir gut... mein
Name ist 'YuanDao'.“
MianMian
sprach den Namen 'YuanDao' ein paar Mal leise aus. Sie konnte sich
nicht erinnern, ob einer der jungen Meister einer Sekte einen solchen
Namen hatte. Aber nach der Aura, der Art des Auftretens und dem
Aussehen des Jungen zu urteilen, dachte sie nicht, dass er nur ein
durchschnittlicher Schüler sei. Als sie das neckende Lächeln in den
Mundwinkeln von Wei WuXian sah, wusste sie nicht, was los war.
Plötzlich
kam Lan WangJis leise Stimme von neben ihnen, „Ein Wortspiel.“
Sie erkannte
sofort, dass es aus der Poesiezeile 'die unaufhörlichen Grenzen
(MianMian) sehnen
sich nach Metern und Metern (YuanDao)'
genommen worden war, und das er sich über sie lustig machte. Sie
stampfte trotzig mit den Füßen auf: „Wer sehnt sich schon nach
dir? Du hast kein Gesicht!“
Die Mädchen
brachen in ein lachendes Durcheinander aus und zwitscherten: „Wei
WuXian, du hast wirklich kein Gesicht!“
„Ich habe
noch nie jemanden gesehen, der so nervig ist wie du!“
„Lass mich
dir verraten, ihr Rufname lautet.....“
MianMian
scheuchte sie weg und drehte sich um, um zu gehen: „Los, los, los!
Du darfst es ihm nicht sagen.“
Wei WuXian
rief von hinten: „Du kannst ruhig gehen, aber gib mir auch so einen
Beutel, ja?!! Du ignorierst mich? Du willst nicht? Wenn du es nicht
tust, finde ich andere Leute und frage sie nach deinem Namen. Es muss
jemanden da draußen geben, der bereit ist, es mir zu sagen....“
Bevor er
fertig war, flog ein Parfümbeutel zu ihm herüber. Es landete genau
auf der Mitte seiner Brust. Mit einem 'Autsch' tat Wei WuXian so, als
ob sein Herz schmerzte, und drehte den Beutel um seine Hand
mit seinen Bändern um seinen Finger gewickelt. Selbst als er zurück
zu Lan WangJi ging, drehte er immer noch den Beutel herum und
grinste. Als er Lan WangJis Gesichtsausdruck kälter werden sah,
fragte er: „Was? Du siehst mich schon wieder so an. Richtig, wo
waren wir noch mal? Lass uns da weitermachen. Wie wäre es, wenn ich
dich auf meinem Rücken trage?“
Lan WangJi
sah ihn ruhig an: „Benimmst du dich allen gegenüber so
leichtsinnig?“
Wei WuXian
dachte für eine Sekunde nach: „Ich denke schon?“
Lan WangJi
sah auf den Boden. Er antwortete nur einen Moment später: „Wie
unverschämt!“
Er sprach
die beiden Worte durch zusammengebissene Zähne aus, und ein
seltsamer Hass schwang darin mit. Er hielt es nicht einmal für
würdig, Wei WuXian auch nur noch einen weiteren Blick zu schenken.
Lan WangJi bemühte sich, sein Tempo anzuziehen und schneller zu
gehen. Als Wei WuXian sah, dass er sich wieder zwang, eilte er: „Gut.
Du musst nicht so schnell gehen. Ich werde einfach gehen.“
Er
kombinierte drei Schritte zu zwei und holte schnell Jiang Cheng ein.
Doch auch
Jiang Cheng sah ihn nicht freundlich an. Er sprach bedrohlich: „Du
bist so lächerlich!“
Wei WuXian,
„Es ist nicht so, als wärst du Lan Zhan oder so, also warum sagst
du 'so lächerlich' wie er es immer tut? Seine Stimmung ist heute
schlimmer als früher. Was ist mit seinem Bein los?“
Jiang Cheng
sprach mit saurer Stimme: „Du hast noch Zeit, ihm deine Beachtung
zu schenken? Warum achtest du nicht mehr auf dich selbst!?? Ich weiß
nicht, welche miesen Tricks dieser Idiot Wen Chao diesmal plant, da
er uns hier nach einem Höhleneingang auf Berg Muxi suchen lässt.
Hoffentlich ist es nicht wie beim letzten Mal, als er uns dazu
brachte für ihn fleischliche Schutzschilde zu spielen.“
Einer der
Jünger neben ihnen flüsterte: „Natürlich ist seine Stimmung
nicht so großartig. Letzten Monat wurden die Wolken-Schluchten
niedergebrannt. Du wusstest es noch nicht, oder?“
Als Wei
WuXian das hörte, schreckte er auf: „Niedergebrannt?!“
In den
letzten Tagen hatte Jiang Cheng zu viele von diesen Geschichten
gehört, so dass er nicht so überrascht war wie Wei WuXian, „Von
den Leuten der Wen-Sekte?“
Der Jünger:
„Das kann man so sagen. Man könnte aber auch sagen.... dass die
Lan-Sekte selbst alles niedergebrannt hat. Der älteste Sohn der
Wen-Sekte, Wen Xu, ging nach Gusu. Er beschuldigte den Führer
der Lan-Sekte wegen etwas und zwang das Volk der Lan-Sekte, seine
eigene Residenz niederzubrennen! Er bezeichnete das Ganze mit dem
Begriff der Säuberung, so dass dieser Ort nach der Reinigung durch
das Feuer wiedergeboren werden könnte. Das meiste der
Wolken-Schluchten und der umliegende Wald wurden verbrannt. Einfach
so hat man dieses hunderte von Jahren alte Paradies zerstört. Der
Anführer der Lan-Sekte wurde sehr schwer verletzt. Wir wissen nicht
einmal, ob er noch am Leben ist. Nun, nun...“
Wei WuXian,
„Hat Lan Zhans Bein etwas damit zu tun?“
Der Jünger:
„Natürlich. Der erste Ort, an dem Wen Xu ihnen befahl, es
niederzubrennen, war der Bibliothekspavillon. Er erklärte, dass er
jedem, der nicht bereit ist, es zu tun, eine Lektion erteilen würde.
Lan WangJi weigerte sich. Er wurde von Wen Xus Leuten angegriffen und
sie brachen ihm eines seiner Beine. Es war noch nicht einmal
verheilt, und er wurde nach hier geschleppt. Wer weiß, was sie
vorhaben?!“
Wei WuXian
dachte sorgfältig nach. In diesen Tagen lief Lan WangJi, abgesehen
davon, dass er von Wen Chao geschimpft wurde, wirklich nicht viel
herum. Er war schon immer entweder stehend oder sitzend gewesen und
hatte überhaupt nichts gesagt. Er war jemand, der Wert auf korrektes
Verhalten legte, also ließ er natürlich niemanden sehen, dass sein
Bein verletzt worden war.
Als Jiang
Cheng sah, dass er anscheinend wieder zu Lan WangJi gehen wollte, zog
er Wei WuXian zurück: „Was ist jetzt schon wieder los mit dir?! Du
wagst es immer noch, ihn zu provozieren? Du gräbst dir wirklich noch
dein eigenes Grab!“
Wei WuXian,
„Ich werde ihn nicht provozieren. Sieh dir sein Bein an. Er ist
seit so vielen Tagen unterwegs - der Zustand seiner Verletzung muss
sich verschlechtert haben. Es ist mir wahrscheinlich nur deshalb
aufgefallen, weil er es wirklich nicht mehr länger verbergen konnte.
Wenn er so weitergeht, ist es wahrscheinlich, dass er sein Bein nie
wieder richtig benutzen kann. Ich werde ihn tragen.“
Jiang Cheng
zog ihn noch näher heran: „Es ist ja nicht so, als ob du ihn
kennen würdest! Siehst du nicht, wie sehr er dich hasst? Du willst
ihn tragen? Er will wahrscheinlich nicht einmal, dass du dich ihm
auch nur einen Schritt näherst!“
Wei WuXian,
„Es ist in schon Ordnung, wenn er mich hasst - ich hasse ihn nicht.
Ich werde ihn auf meinen Rücken legen, sobald ich ihn in die Finger
bekomme. Könnte er mich vielleicht zu Tode würgen, während ich ihn
auf dem Rücken habe?“
Jiang Cheng
warnte: „Wir sind nicht einmal in der Lage, für uns selbst zu
sorgen; wie können wir da die Zeit haben, uns um die Kleinigkeiten
anderer zu kümmern?“
Wei WuXian,
„Erstens, das hier ist keine Kleinigkeit. Zweitens, um solche Dinge
muss sich jemand früher oder später kümmern!“
Während die
beiden mit leiser Stimme stritten, kam einer der Diener der Wen-Sekte
vorbei und schimpfte: „Hier wird nicht getuschelt. Passt auf, was
ihr tut!“
Nachdem der
Diener gekommen und wieder gegangen war, näherte sich ihnen ein
zierliches Mädchen. Ihr Name war Wang LingJiao. Sie war eine
der Dienerinnen, die Wen Chao an seiner Seite hielt. Jeder hier
wusste jedoch ohne weitere Erklärungen, auf welche Art und Weise sie
ihm genau diente. Sie war mal eine Dienstmagd von Wen Chaos Hauptfrau
gewesen. Da sie ein ziemlich gutes Aussehen hatte, stieg sie in sein
Bett, nachdem sie ein paar Blicke mit ihrer Herrin ausgetauscht
hatte. Sobald sich die Position von jemanden erhöhte, erhielten auch
die Menschen um denjenigen herum einen Segen. In der Welt der
Kultivierung war somit plötzlich auch eine gewisse
'YingchuanWang-Sekte' erschienen.
Da ihre
spirituelle Kraft schwach war, konnte sie keine Schwerter der oberen
Klasse benutzen, weshalb sie ein langes Brandeisen in der Hand hielt.
Alle Diener der Wen-Sekte hatten eines dieser Brandeisen. Ohne die
Notwendigkeit, erhitzt zu werden, hinterließen sie eine schmerzhafte
Brandmarke auf demjenigen, den sie berührten.
Während sie
es in der Hand hielt, schimpfte Wang LingJiao wichtigtuerisch: „Der
junge Meister Wen sagte euch, ihr sollt nach dem Eingang suchen, also
was machst ihr da und flüstert euch gegenseitig zu?“
Zu einer
solchen Zeit konnte selbst ein bloßes Dienstmädchen, das sich seine
Position damit verdient hatte, indem es in die Bettwäsche eines
anderen gekrochen war, vor ihnen mit solcher Arroganz aufblähen. Sie
waren sich nicht sicher, ob sie lachen oder die Stirn runzeln
sollten.
Plötzlich
schrie jemand von der Seite: „Gefunden!“
Wang
LingJiao hatte nicht die Zeit, ihnen noch mehr Aufmerksamkeit zu
schenken. Nachdem sie rüber geeilt war, sah sie es sich an und
strahlte dann: „Junger Meister Wen! Sie haben es gefunden! Der
Eingang!“
Es war ein
Loch im Boden, ganz gut versteckt unter einem alten Banyanbaum mit
einem Stamm so groß wie die Umarmung von drei Männern. Der erste
Grund, warum sie es nicht hatten finden können, war, dass der
Eingang ziemlich klein war, nicht einmal fünf Fuß breit, und der
zweite, dass die dicken, verwickelten Wurzeln und Reben ein festes
Netz webten, das den Eingang blockierte. Darüber befand sich auch
eine Schicht aus Blättern und Ästen, Schlamm und Stein, und so war
der Eingang fast unmerklich.
Nachdem man
die faulen Blätter und den Schlamm abgetragen, und die Wurzeln
weggeschnitten hatte, war das dunkle, unheimliche Loch offenbart
worden.
Der Eingang
führte in den tiefen Untergrund. Die kalte Luft, die ihnen in ihre
Gesichter entgegen stieg, schickte Schauer über ihre Rücken. Nichts
war von dem Kieselstein zu hören, der ins Innere geworfen worden
war. Es war, als wäre er im Meer versunken.
Wen Chao war
begeistert: „Das muss es sein! Schnell, Leute, geht da runter!“
Jin ZiXuan
konnte es nicht mehr bei sich halten. Er sprach kalt: „Du hast uns
hierher gebracht und gesagt, dass wir ein Tier jagen werden. Wenn ich
fragen darf, was für ein Tier ist es denn? Eine vorherige
Information würde es uns ermöglichen, effizienter
zusammenzuarbeiten, so dass wir nicht so verwirrt sind wie beim
letzten Mal.“
Wen Chao,
„Euch informieren?“
Er stand auf
und zeigte zuerst auf Jin ZiXuan und dann auf sich selbst: „Wie oft
muss ich es noch deutlich machen, damit du dich daran erinnerst?
Versteht mich nicht falsch. Ihr seid nur die Kultivierenden, die mir
dienen. Ich bin derjenige, der hier die Befehle gibt. Ich brauche
keine anderen, die mir ihre Vorschläge mitteilen. Ich bin der
Einzige, der diesen Kampf hier leitet und die Truppen befehligt. Ich
bin auch der Einzige, der das Tier besiegen kann!“
Er sprach
die Worte 'der Einzige' mit großer Betonung. Die erhabene Stimme und
der arrogante Ton evozierten sowohl Gelächter als auch Hass bei den
Zuhörern. Wang LingJiao schimpfte: „Hast du nicht gehört, was der
junge Meister Wen sagte? Geh da runter, schnell!“
Jin ZiXuan
stand ganz vorne. Er hielt seinen Zorn zurück, hob den Saum seines
Gewandes an, packte eine der dicksten Reben und sprang ohne zu zögern
in das endlose Loch.
Diesmal
konnte Wei WuXian seine Gefühle auf tiefster Ebene nachvollziehen.
Egal, welche Kreatur diese Höhle heimsuchte, ihr gegenüber zu
stehen wäre viel bequemer als gegenüber von Wen Chao und den
anderen. Wenn er zuließ, dass dieses höllische Paar seine Augen
noch mehr schädigte, hatte er Angst, dass er sich wirklich dafür
entscheiden könnte, mit ihnen zusammen zu sterben!
Die Leute,
die Jin ZiXuan folgten, betraten nacheinander das Loch. Da der Gruppe
der zwangsversammelten Jünger die Schwerter weggenommen worden
waren, konnten sie nur langsam hinunterkriechen. Die Reben wuchsen
entlang der Wand des Lochs. Sie waren ziemlich stabil, dick wie die
Handgelenke von kleinen Kindern. Wei WuXian klammerte sich daran und
berechnete schweigend, wie tief sie hinuntergingen, während er sich
in einem gemächlichen Tempo bewegte.
Seine Füße
berührten schließlich den Boden, nachdem er fast dreißig Fuß nach
unten gerutscht war. Wen Chao schrie ein paar Dinge von oben. Nachdem
er dafür gesorgt hatte, dass es unter Tage sicher war, flog er mit
dem Schwert unter den Füßen galant nach unten, Wang LingJiao in
seinen Armen. Eine Weile später landeten auch seine Jünger und
Diener nacheinander.
Jiang Cheng
flüsterte: „Hoffentlich wird die Beute, die er diesmal jagen will,
nicht allzu schwierig sein. Ich weiß nicht, ob es hier noch andere
Ausgänge gibt. Wenn der Ghul oder das Tier hier drin ausflippen,
könnte ein so langer Weinstock in zwei Hälften brechen und es wäre
schwer für uns, überhaupt wegzulaufen.“
Der Rest der
Gruppe dachte dasselbe. Sie konnten nicht anders, als auf den
kleinen, weißen Fleck, der der Eingang war, starren. Alle waren
besorgt. Wen Chao sprang von seinem Schwert: „Warum steht ihr nur
da rum? Soll ich euch beibringen, was ihr tun sollt? Los!“
Die Gruppe
der Jünger wurde in die Tiefe der Höhle gejagt. Da sie den Weg an
der Front erkunden mussten, befahl Wen Chao seinen Dienern, sie mit
ein paar Fackeln zu versorgen. Die Decke der Höhle war sowohl hoch
als auch breit, unerreichbar für das Licht der Fackeln. Wei WuXian
achtete auf die Echos. Er spürte, dass, je tiefer sie gingen, desto
geräumiger die Echos klangen. Es war wahrscheinlich, dass sie
bereits mehr als hundert Fuß unter der Erde waren.
Die Leute an
der Front waren sehr wachsam. Sie wussten nicht, wie lange es
gedauert hatte, bis sie schließlich vor einem tiefen Wasserbecken
angekommen waren. Selbst wenn das Becken an der Oberfläche wäre,
würde es als ein riesiger See betrachtet werden. Das Wasser war
unheimlich schwarz. Auch Steininseln aller Größen ragten aus der
Oberfläche heraus. Und es gab keinen anderen Weg vor ihnen.
Aber, obwohl
der Weg zu Ende war, hatten sie immer noch nicht die Beute ihrer
Nachtjagd gefunden. Sie wussten nicht einmal, was genau es war. Das
Herz eines jeden Menschen war von Unsicherheit erfüllt und behielt
immer noch seine Wachsamkeit.
Da er das
Tier, das er hier erwartet hatte, nicht gesehen hatte, fühlte sich
auch Wen Chao irritiert. Nachdem er ein paar Worte geflucht hatte,
hatte er plötzlich eine 'Idee': „Findet jemanden, hängt ihn auf
und lasst etwas Blut herauslaufen, um das Ding herzulocken.“
Bestien
sehnten sich normalerweise mehr als alles andere nach Blut. Es würde
definitiv durch den Geruch des Blutes und des unbeweglichen Menschen,
der in der Luft hing, angelockt werden!
Wang
LingJiao antwortete und zeigte sofort auf ein Mädchen. Sie befahl:
„Was ist mit ihr?“
Das Mädchen
war diejenige, die auf dem Weg hierher Parfümbeutel verteilt hatte,
MianMian. Da sie plötzlich auserwählt worden war, wurde ihr
Ausdruck völlig leer. Obwohl diese Wahl von Wang LingJiao zufällig
erschien, hatte sie es eigentlich schon lange geplant. Die meisten
Leute, die die Sekten hierher schickten, waren Jungen. So konnte Wen
Chao den wenigen Mädchen gegenüber nicht anders, als ihnen mehr
Aufmerksamkeit zu schenken, besonders MianMian. Sie sah gut aus und
war einige Male von Wen Chao belästigt worden, konnte aber nur
schweigend darunter leiden. Doch Wang LingJiao hatte alles gesehen
und verabscheute sie.
MianMian
erkannte, dass sie wirklich diejenige war, die ausgewählt worden
war. Mit Panik in ihrem Gesicht taumelte sie ein paar Schritte
zurück. Als Wen Chao sah, das Wang LingJiao dieses Mädchen wählte,
erinnerte er sich daran, dass er noch nie die Chance hatte, sie zu
haben, und empfand das als schade, „Dieses hier? Wie wäre es mit
jemand anderem?“
Wang
LingJiao sah aus, als hätte man ihr Unrecht getan: „Warum jemand
anderes? Ich habe diese hier ausgesucht. Sag mir nicht, dass du sie
vermissen wirst?“
Sie ließ
ihre Koketterie los, und Wen Chao war vor Freude schon über den
Mond, die Hälfte seines Herzens war bereits geschmolzen. Dann, als
er sich umdrehte, um sich die Kleidung von MianMian anzusehen, war er
sicher, dass sie nicht Teil des Clans einer Sekte war. Sie war
höchstens eine Schülerin, also wäre sie sicher der perfekte Köder,
denn selbst wenn sie weg wäre, würde die Sekte ihn deswegen nicht
belästigen: „Unsinn. Warum denkst du, dass ich sie vermissen
werde? Mach, was immer du willst. Alles hängt von JiaoJiao
ab!“
MianMian
wusste, dass sie, wenn sie hier aufgehängt würde, wahrscheinlich
nicht in der Lage wäre, lebendig wieder hier rauszukommen. Sie
versuchte zu fliehen, aber wo immer sie hinlief, zerstreuten sich die
Menschen.
Gerade als
Wei WuXian zuckte, hielt Jiang Cheng ihn fest. MianMian bemerkte
plötzlich, dass zwei Menschen stillstanden. Sie versteckte sich
sofort hinter deren Rücken und zitterte. Die beiden waren Jin ZiXuan
und Lan WangJi.
Als die
Diener der Wen-Sekte, die MianMian festbinden wollten, sahen, dass
die beiden nicht beabsichtigten, sich zu bewegen, riefen sie: „Geht
zur Seite!“
Lan WangJi
schwieg vor Gleichgültigkeit.
Wen Chao
sah, dass die Situation nicht gut war, und warnte: „Warum stehst du
da? Verstehst du die menschliche Sprache nicht? Oder willst du die
Jungfrau in Not retten?“
Jin ZiXuan
hob seine Augenbrauen an: „Reicht es nicht langsam? Es reicht dir
anscheinend nicht, dass Menschen für dich Fleischschilde sind, und
jetzt willst du auch noch, dass lebende Menschen bluten, damit du sie
als Köder benutzen kannst?!“
Wei WuXian
fand das etwas überraschend, Also hat Jin ZiXuan wirklich etwas
Arsch in der Hose!
Wen Chao
zeigte auf sie: „Rebellierst du gegen mich? Ich warne dich, ich
toleriere dich schon sehr lange. Und jetzt hängst du die Göre mit
deinen eigenen Händen auf! Oder sonst kann keiner der Leute aus
euren Sekten erwarten, das sie zurückkehren!“
Jin ZiXuan
grinste und weigerte sich, sich zu bewegen. Lan WangJi sah auch so
aus, als hätte er nichts gehört, und blieb so bewegungslos, als
würde er meditieren.
Einer der
Schüler der GusuLan-Sekte an der Seite hatte jedoch gezittert, als
er Wen Chaos bedrohliche Worte hörte. Er konnte sich nicht mehr
zusammenreißen, als er rüber eilte, MianMian packte und sich darauf
vorbereitete, sie zu fesseln. Lan WangJis Augenbrauen versteiften
sich. Er schlug den Schüler sofort zur Seite.
Obwohl er
nichts sagte, war die Art und Weise, wie er den Schüler ansah, mehr
als imposant. Was ein solcher Blick bedeutete, war für jeden klar -
Es ist wirklich eine Schande, dass die GusuLan-Sekte einen Schüler
wie dich unterrichtet hat!
Die
Schultern des Schülers zitterten, als er sich langsam zurückzog und
nicht in der Lage war, den anderen in die Augen zu sehen. Wei WuXian
flüsterte zu Jiang Cheng: „Oh-oh. Nach Lan Zhans Persönlichkeit
zu urteilen, wird das nicht gut laufen.“
Jiang Cheng
presste auch seine Fäuste zusammen. In einer solchen Situation war
es fast unmöglich, nur für sich selbst zu sorgen und zu hoffen,
dass kein Blut verloren ging!
Wen Chao war
wütend und rief: „Wie kannst du es wagen! Tötet sie!“
Einige der
Schüler der Wen-Sekte zogen ihre Schwerter und eilten auf Lan WangJi
und Jin ZiXuan zu. Die 'Kernschmelz-Hand', Wen ZhuLiu, stand mit
gefalteten Händen hinter Wen Chao. Er griff nie an, als ob er sich
dachte, dass er das nicht tun müsste. Er hatte Recht, als er sah,
dass die beiden Jungen sowohl in Bezug auf die Waffen, als auch in
Bezug auf die schiere Anzahl verloren waren. Mehr noch, nach den
letzten Tagen der ständigen Bewegung waren sie in einem ziemlich
schlechten Zustand, ganz zu schweigen davon, dass Lan WangJi verletzt
war. Sie würden definitiv nicht lange durchhalten. Wen Chao sah zu,
wie seine Untergebenen mit den beiden kämpften, und sah aus, als
wäre seine Stimmung viel besser. Er spuckte: „Widerspricht mir -
was hast du gedacht, wer du bist? Leute wie du verdienen es wirklich,
getötet zu werden.“
Eine
grinsende Stimme kam von der Seite, „Das ist richtig. All
diejenigen, die andere unterdrücken und Böses tun, indem sie sich
auf die Macht ihres Clans verlassen, sollten getötet werden. Nicht
nur das, sie sollten auch vor Zehntausenden enthauptet werden, um sie
zu schmähen, damit die Kommenden sich hüten werden.“
Als Wen Chao
das hörte, drehte er sich um: „Was hast du gesagt?“
Wei WuXian
tat so, als wäre er überrascht: „Soll ich es wiederholen? Sicher.
Alle, die andere unterdrücken und Böses tun, indem sie sich auf die
Macht ihres Clans verlassen, sollten getötet werden. Nicht nur das,
sie sollten auch vor Zehntausenden enthauptet werden, um sie zu
schmähen, damit die Kommenden sich hüten werden. Hast du es diesmal
gehört?“
Als Wen
ZhuLiu dies hörte, schien er nachzudenken, während er Wei WuXian
ansah. Wen Chao brach aus: „Wie kannst du es wagen, so absurde,
ungeheuerliche und überhebliche Worte zu sagen!“
Wei WuXian
hob zuerst die Mundwinkel mit einem pfft an und brach dann
sofort in schallendes Gelächter aus. Unter den schockierten Augen
aller lachte er so heftig, dass er außer Atem war, und stützte sich
auf Jiang Chengs Schulter ab, während er sprach: „Absurd?
Ungeheuerlich? Ich würde sagen, du bist derjenige, der all das ist!
Wen Chao, weißt du, wer derjenige war, der diese Worte sagte? Ich
bin mir sicher, dass du das nicht tust, oder? Lass mich dir eines
sagen. Dies wurde von dem berühmtesten Kultivierenden deiner Sekte
gesagt, demjenigen, der die ganze Sache gegründet hat, Wen Mao. Du
hast es gewagt zu sagen, dass eine der Bemerkungen deines Vorfahren
absurd und ungeheuerlich ist? Gut gesagt, sehr gut gesagt!
Ahahahahahahaha....“
In der
ausgeteilten 'Quintessenz der Wen-Sekte' konnten selbst die
gewöhnlichsten Nebenbei-Kommentare immer wieder analysiert werden,
ihre tiefe Bedeutung rühmte sich mit außergewöhnlicher
Extravaganz. Geschweige denn, dass Wei WuXian sich gut an diese eine
Passage erinnerte, fühlte er sich davon angewidert, nachdem er nur
durch ein paar Seiten geblättert hatte. Allerdings fand er dieses
Zitat von Wen Mao ziemlich ironisch, weshalb er sich mit Leichtigkeit
daran erinnern konnte.
Wen Chaos
Teint wechselte zwischen Rot und Weiß. Wei WuXian fügte hinzu:
„Richtig, was wurde denen vorgeworfen, die berühmte Kultivierende
der Wen-Sekte erneut beleidigen? Wie sollten sie bestraft werden? Ich
erinnere mich, dass es eine Hinrichtung war, oder? Ja, sehr gut, du
kannst jetzt sterben.“
Wen Chao
konnte sich nicht mehr zurückhalten, zog sein Schwert aus der
Scheide und stürzte sich auf Wei WuXian. Damit stürzte er sich aus
Wen ZhuLius Schutzbereich.
Wen ZhuLiu
war es schon immer gewöhnt, ihn gegen die Angriffe anderer zu
verteidigen. Er hatte nie erwartet, dass Wen Chao aus eigenem Antrieb
gehen würde. Angesichts der plötzlichen Schwierigkeiten konnte er
irgendwie nicht rechtzeitig reagieren. Andererseits, als Wei WuXian
Wen Chao provozierte, hatte dieser genau auf den Moment der
unkontrollierbaren Wut gewartet. Das Lächeln an seinen Lippen
schwankte überhaupt nicht, als er mit Blitzgeschwindigkeit in den
Gegenangriff überging. In Sekundenbruchteilen hatte er das Schwert
ergriffen und die Situation umgedreht, und Wen Chao mit nur einem Zug
unterworfen!
Mit einer
Hand ergriff er Wen Chao, sprang ein paar Mal und landete auf einer
der Inselchen im Becken und hielt sich von Wen ZhuLiu fern. Mit der
anderen Hand drückte er das Schwert auf Wen Chaos Hals und warnte:
„Keiner bewegt sich. Wenn ihr nicht aufpasst, werde ich vielleicht
beschließen, etwas Blut aus eurem jungen Meister Wen zu lassen!“
Wen Chao
kreischte: „Hört auf, euch zu bewegen! Bewegt euch nicht!“
Die Jünger
um Lan WangJi und Jin ZiXuan stellten endlich ihre Angriffe ein. Wei
WuXian rief: „'Kernschmelz-Hand', du bewegst dich auch nicht! Du
weißt, wie temperamentvoll der Führer der Wen-Sekte ist. Dein Herr
ist in meiner Hand. Wenn er nur einen Tropfen Blut verliert, dann
sollte keiner der Leute hier hoffen, mit seinem Leben davonzukommen,
auch du nicht!“
Wen ZhuLiu
senkte die Arme, wie Wei WuXian es erwartet hatte. In Anbetracht der
Tatsache, dass die Situation unter Kontrolle war, war Wei WuXian
gerade im Begriff zu sprechen, als er plötzlich spürte, dass der
gesamte Boden unter ihm erzitterte.
Er war
sofort auf der Hut: „Jiang Cheng! Ist das ein Erdbeben?“
Sie befanden
sich derzeit in einer unterirdischen Höhle. Wenn ein Erdbeben oder
ein Erdrutsch eintrat, dann wäre das äußerst beängstigend, da ihr
Eingang blockiert oder sie lebendig begraben werden könnten. Doch
Jiang Cheng antwortete: „Nein!“
Aber Wei
WuXian fühlte, dass sich das Zittern des Bodens verstärkte. Die
Klinge berührte Wen Chaos Hals fast schon einige Male und ließ ihn
schreien. Jiang Cheng rief sofort: „Es ist kein Erdbeben - was sich
bewegt, ist das Ding unter deinen Füßen!“
Wei WuXian
hatte es auch bemerkt. Es war nicht, dass der Boden zitterte, sondern
die gesamte Insel, auf der er gelandet war. Sie zitterte nicht nur,
sie stieg auch auf und ab. Der Bereich, der über der
Wasseroberfläche sichtbar war, wurde immer größer. Er verstand es
endlich. Dies war keine Insel, sondern eine große Kreatur, die sich
in den Tiefen des Beckens versteckt hatte – und gerade jetzt stand
er auf dem Panzer dieses Monsters!
Informationen
MianMian:
Mian bedeutet "weich", kann aber auch "unaufhörlich"
bedeuten.
Die
unaufhörlichen Grenzen sehnen sich nach Metern und Metern: Hier
macht Wei WuXian ein Wortspiel mit Bezug auf ein berühmtes Gedicht
über ein riesiges Gräserfeld. MianMian bezieht sich auf die
endlosen Grenzen des Grases, während YuanDao sich auf eine lange
Strecke bezieht.
Beutel:
Erinnert ihr euch noch, als sich Wei WuXian im ersten Buch über Lan
WangJis Geldbeutel wunderte (Band 1, Seite 181, INFO: gilt nur für die Printausgaben!))? Dies ist sein
erster Auftritt............. Lan Zhan hat wirklich alles von Wei Ying
aufgehoben ;-)
Wen Xu:
Xu bedeutet "aufgehende Sonne".
Wang
LingJiao: Wang ist nicht nur einer der häufigsten Nachnamen in
China, sondern auch einer der Nachnamen, die als die am wenigsten
poetischen gelten. Ling bedeutet "lebendig" oder
"spirituell", während Jiao "zart" bedeutet.
Zusammengefasst ist dies ein sehr "einfacher" Name,
verglichen mit den anderen Namen in der Geschichte.
JiaoJiao:
Das ist Wang LingJiaos Spitzname.
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